Meine Eltern werden pflegebedürftig, was nun? Die Sicht der Angehörigen
Was ich jetzt beschreibe ist eine Sicht auf die häufigsten Erfahrungen die ich im Bezug auf Angehörige gemacht habe.
Die pflegenden Angehörigen
Pflegepolitik und anderes Gedöns
Damit sind wir auch schon bei einem Problem, was im Diskurs über Pflege, auch eigentlich in sehr vielen Diskursen, immer wieder aufkommt. Bitte scheren Sie nicht alle über einen Kamm.Diese Sichtweise, die als eigentlich selbstverständlich gilt, so meine ich, macht viele Probleme im Grunde unlösbar. Nicht auf der persönlichen Ebene, aber auf der gesellschaftlichen Ebene. Die Beachtung jeder Individualität ist ein Ziel, was am Ende, also bei der Ausführung und der Arbeit mit Ergebnissen eines Diskurses stehen sollte. Postuliere ich die Individualität am Anfang hat das Folgen, die, ich glaube das will niemand wirklich hören, zur Folge haben, dass das Motto sein wird jeder ist sich selbst der nächste.Es gilt, insbesondere für die Pflegepolitik, Ziele möglichst allgemeingültig zu formulieren. Der Einwand ein Ziel muss immer im Konsenz formuliert sein, halte ich für falsch. Dabei kommt oft nur der minimalste Nenner raus und man versucht so viele Einzelinteressen zu vertreten, dass man sich den Diskurs hätte sparen können. Eigentlich sollte das Lebenserfahrung sein:Eine Entscheidung macht nicht jeden Glücklich.Vielleich sollte ich hier auch noch an das viel zitierte salomonische Urteil erinnern. Dort wurde ein Urteil gefällt, nicht versucht alle beteiligten glücklich zu machen. Es ging auf neudeutsch um das beste Outcome für alle Beteiligten. Das ist das Wesen einer Entscheidung, es gibt immer Verlierer und Gewinner. Aber solange es mehr Gewinner als Verlierer gibt ist die Entscheidung nicht grundsätzlich Falsch. Genau deswegen muss man gedanklich ab und zu alle über einen Kamm scheren.Ja, das ist Schubladendenken. Aber die Reduktion eines Problems auf überschaubare Parameter macht meiner Meinung nach Entscheidungen erst möglich. Wer glaubt er könne mit einer Entscheidung allen helfen, der ist entweder Hoffnungslos romantisch, oder er hat keine Ahnung von der Komplexität des Problems. Wer das nicht glaubt, der überschätzt möglicherweise seine eigne Kompetenz.
Ich werde in meiner kleinen Blogpost-Serie einige Sichtweisen der beteiligten Gruppen beleuchten. Allerdings werde ich nicht jedem damit gerecht werden. Ich werde es ganz bewusst auf wenige Fakten die im Mittel zutreffen reduzieren. Ich möchte im Kern über meine Gedanken dazu aufschreiben und nicht jedes mögliche Szenario mit denken. Das ist, glaube ich, weder nötig noch sinnvoll. Ebenso bin ich mir bewusst, dass diese Serie auch nicht ohne subjektive Eindrücke auskommt. Ich denke, das ist auch gar nicht nötig, deswegen werden ich auch nicht mit Belegen oder Zitaten arbeiten. Aber es soll Zeigen, warum die Mindsets bezüglich Pflege do unterschiedlich sind und es eigentlich mit dem Begriff Pflege schon anfängt. Und dazu habe ich auch eine kleine Aufgabe für die, die sich die Post Serie antun wollen. Was verstehen sie unter Pflege und Pflegebedürftigkeit und was ist für Sie Hilfebedarf und Hilfsbedürftigkeit.Und wenn sie im laufe der Serie wieder erkennen und zu einer neuen Erkenntnis kommen, dann lassen sie einen Kommentar da. Ich hoffe, dass daraus ein Diskurs werden kann in dem man sich auch auf die Sichtweisen anderer Einlassen kann. Leider kann ich nicht sagen, dass jede Woche eine Folge fertig wird denn auch meine Zeit ist begrenzt. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass der ein oder andere Leser es bis zu ende durchhält.
Ich habe an dem folgenden Text länger laboriert und ehrlich gesagt wusste ich nicht ob ich dazu überhaupt etwas schreiben sollte. Meine Erfahrung ist, dass es niemanden interessiert was im Gesundheitssystem los ist. Die Gesundheitskompetenz ist auf dem Tiefpunkt angelangt, jeder glaubt er könnte sich ewig gesund halten, aber scheitert bei den einfachsten Krankheiten. Wenn skandalöse Bedingungen aufgedeckt werden ist der Ruf nach mehr Kontrolle das einzige was passiert. In einer Zeit wo Narrative und Wordings der neue heiße Scheiß sind, ist mit Analyse und Strategie nicht mehr viel zu reißen. Also gehe ich davon aus, dass die eingeweihte Bubble mir zunicken wird und ansonsten ist egal was Pflege zu Pflege sagt. Der aufgeklärte Bürger weiß es schließlich besser. Er ist ja gesund und das wir auch immer so bleiben. Unfälle, Krankheiten, Infektionen passieren ja nur den ungebildeten und unvorsichtigen Mitmenschen. Sollte es doch passieren dann ist der Augenöffner da, doch leider werden dann die Schuldigen nie an der richtigen Stelle gesucht. Aber sei es drum. Ich schreibe und bin es los. Auch wenn es nichts bewegt, es tut mir gut. Das ist eigentlich das wichtigste, damit ich gesund bleibe.
Die Pflege in Deutschland liegt ja nun schon seit längerem auf dem Sterbebett. Es wurden daher allerlei große Ideen eingebracht wie die Pflege zu retten ist. Fachkräfte aus dem Ausland oder eine Ausbildungsoffensive oder was auch immer Politikern so zu dem Thema einfallen ist. Alle diese gut gemeinten Maßnahmen hatten aber von Anfang an einen Geburtsfehler. Keiner hat sich damit beschäftigt wie die Dispositionsmasse Pflege die Sache sieht. Nehmen wir die Ausbildungsoffensive, gut gemeint aber was genau bringt eine Ausbildungsoffensive in der ich meine Hilfskräfte zu Fachkräften ausbilde um dann hinterher keine Hilfskräfte mehr zu haben und diese dann wieder umständlich am Arbeitsmarkt zu beschaffen. Aber gut, das ist ja die Antwort auf alles in Deutschland, Bildung. Ach nein, es gibt ja noch eine universelle Antwort auf Fragen wenn Arbeitskräfte fehlen: Zuwanderung. Mal abgesehen davon, dass wir anderen Ländern die mit Sicherheit auch nicht in Fachkräften schwimmen die Fachkräfte weglocken wollen, ist da ja auch noch eine Sache. Hätte man mit Leuten vom Fach ernsthaft geredet wäre möglicherweise, ich betone möglicherweise, warum erkläre ich später, zu der Erkenntnis gekommen, dass was der Deutsche, insbesondere der deutsche Politiker unter Pflege versteht nicht ganz dem Kompetenzprofil Ausländischer Kollegen entspricht. Die sind keine Hochleistungswaschlappen, sondern zum Teil akademische Pflegekräfte die, da staunt der Deutsche, Pflege als Profession betrachten. Nicht etwa als Waschlappenakrobatik und Exkrementbeseitigungszunft. Dass diese Leute bei der Stellung der Pflege in der Gesundheitsbranche schreiend weglaufen würden war eigentlich zu erwarten.
Nun kommen wir zur dem versprochenen möglicherweise von oben. Meine Erfahrung ist, dass genau in dem Moment wo Pflege an der richtigen Stelle etwas sagen könnte allzu oft die Vertreter, oder die die dazu Berufen werden, an plötzlicher Stimmbandlähmung leiden. Oder an Gedächtnisstörungen. Oder vielleicht auch beidem. Vielleicht ist es aber auch die Sozialisierung der Pflege die dort die Luft abschnürt.
Die Pflege will ja, qua ihrer professionell dienenden Einstellung, niemandem auf den Sack gehen, auch nicht wenn es dringend Geboten wäre. Andererseits ist es vielleicht auch einfach nur Feigheit, weil man ja vielleicht nie wieder zu so etwas wichtigem eingeladen wird, wenn man jemandem mal eine klare Kante zeigt.
Das führt dann auch dazu was wir nun haben: Eine Situation bei der man sich nur gepflegt den Kopf gegen eine beliebige harte Oberfläche schmettern kann damit man so viel Kurzsicht ertragen kann.
Der bisher größte Wurf in der Geschichte der Pflegereformen ist mit ziemlicher Sicherheit das:
Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG)
Und
die sich daraus ergebenden Nebenbedingungen. Und damit sind wir nun
auch beim vergifteten Geschenk. Das steht im §72
3a bis 3f SGB XI. Zunächst wirkt es so als wenn der Gesetzgeber
endlich verstanden hätte, das eine faire Entlohnung in der Pflege
überfällig ist. Das kann man auch als dringend überfällig
betrachten. Warum also ein vergiftetes Geschenk, ist doch alles
bestens. Die Pflege erhält im Schnitt mehr Lohn, damit wird der
Beruf attraktiver die Personalnot schwindet, alles wird gut.
Auch
da unterstelle ich den Akteuren Kurzsichtigkeit. Dazu muss man
allerdings mal über folgendes nachdenken. Wie wollte man noch die
Kosten der Pflege senken? Na erinnert man sich noch daran. Richtig!
Über den Markt und mehr Konkurrenz. Das funktioniert ja, dass weiß
ja jedes Kind. Blöd halt nur, dass man die Art der Finanzierung ein
wenig vergessen hat. Es gibt einen Satz der zur Verfügung steht und
nach einer Bedürftigkeitsprüfung zur Verfügung steht.
Bedürftigkeit nettes Wort, böse Falle. Bedürftigkeit ist nicht der
Bedarf. Es wird kein Bedarf festgestellt. Der Pflegebedarf ist völlig
unerheblich in diesem System. Man bekommt einen Grad der
Pflegebedürftigkeit und damit Summe X, die natürlich bei der
Ausgestaltung der Pflegeversicherung nicht den Bedarf abdeckt. Das
war auch so gewollt. Jetzt läuft dieses System nun aber schon seit
Jahren so. Wer hat nun bei den Kunden den größten Vorteil,
besonders bei denen die wenig bis kein Geld zur Verfügung haben?
Genau, die Billigheimer. Egal ob Ambulant oder Stationär, in der
Langzeitpflege ist gefragt ob es günstig ist. Mehr Leitungen für
weniger Geld, sprich Zuzahlung. Wie macht man das? Klar, Kostenfaktor
Nummer eins ist das Pflegepersonal. Also möglichst weg damit und
wenig Zahlen.
Jetzt sollte die Politik ein ganz bisschen
Vorsichtig sein den Billigheimern die Schuld für diese Entwicklung
in die Schuhe zu schieben. Diese Entwicklung der Situation hätte man
vorher sehen können. Zumindest wenn man in Ruhe mal diese Geschichte
bis zu Ende gedacht hätte. Das ist aber heute schon lange nicht mehr
der Normalfall. Man beschließt mit Tammtamm und Fanfaren den großen
Wurf um dann irgendwann, mittlerweile immer schneller, zu Merken,
hätte ich das mal bis zum Ende durchdacht.... Klingt geil,
mach ich so scheint das Motto zu sein. Übrigens nicht nur in der
Pflegepolitik.
Und jetzt sitzen wir also da. Ziemlich
angeschmiert.
Wahrscheinlich wird kaum einer der Sich nicht mit
Pflege und deren Finanzierung beschäftigt hat auf Anhieb verstehen
welche Bombe dort sprichwörtlich ins Bett gelegt wurde. Ich Spoiler
mal, Pflegende Angehörige wissen spätestens nach der nächsten
Abrechnung des unterstützenden Pflegdienstes was ich meine. Bis zu
25% Preissteigerung. Das tut weh. Aber ist ja nicht schlimm ist ja so
gewollt. Glaubt einer, dass die Politik vergessen hat die Beträge
für Pflegsachleistung zu erhöhen? Wenn ja ändert es auch nichts,
der gelackmeierte ist zunächst einmal der Pflegebedürftige. Auch im
Pflegeheim, aber da geht das subtiler.
Zunächst ist der
Pflegebedürftige der gelackmeierte. Kosten für ambulante Leistungen
steigen, Pflegesätze in Heimen steigen. Personalkosten steigen. Aber
die Finanzierung bleibt im Volumen gleich. Ich denke, dass der Eine
oder Andere bereits drauf gekommen ist was passieren wird.
Aber
dazu erstmal ein Beispiel:
Nehmen
wir also an sie sind die Verwandtschaft von Herrn und Frau
Brömmelkamp beide über 80 , sie Pflegegrad 2 und der Herr
Pflegegrad 4. Allerdings wohnen sie sportliche 30 km weg. Bisher hat
der Pflegedienst alles an Sachleistung ausgeschöpft um ihre
Verwandtschaft über die Runden zu bringen, weil die alte Dame es
nicht mehr schafft ihren Mann alleine zu versorgen. Glücklicherweise
brauchen die Herrschaften das Pflegegeld nicht zum überleben.
Alleine das schreiben zu müssen finde ich schon grenzwertig, ist
aber eine andere Baustelle. Dann haben wir also 1612€ für Opa
Brömmelkamp und 689€ für Oma Brömmelkamp. Macht zusammen 2301€.
Die sind nun aber bereits voll verplant für alles was die beiden
benötigen und eigentlich ist das auch schon knapp, so dass Oma
Brömmelkamp auch Dinge übernimmt. So und nun kommt die
Pflegedienstleitung des neuen Pflegedienstes die sich jetzt einem
Tarif anschließen musste. Dazu bekommt sie neue Preise zugewiesen,
ja zugewiesen! Plötzlich kostet das was die Herrschaften beim
Dienst gebucht haben aber 2876,25 ein Plus von 25%. Weitermachen
heißt 575,25 Monatlich zuzahlen. Mal im Ernst, selbst bei guter
Rente ist das doch eher ein Wenig happig.
Was wird also
passieren? Die Leistungen werden gekürzt und sie werden gefragt ob
nicht wenigstens Samstags einer vorbei kommen kann um Opa zu
duschen.
Selbstverständlich ist das ein wenig plakativ, aber um
die Gedanken in die richtige Richtung zu lenken ist es
ausreichend.
Politisch halte ich es aber für eine super Aktion.
Ich stärke die Pflege durch im Schnitt höhere Gehälter, da bin ich
doch einer von den Guten, nicht so ein Balkonklatscher. Dadurch
verbessern sich schlagartig die Arbeitsbedingungen und es werden mehr
Pflegkräfte kommen und der Pflegnotstand ist Geschichte. Was für
ein großer Wurf!
Was wenige bemerken ist, dass man uns alle
wieder schön hinter die Fichte geführt hat. Solange im System
immanenter Geldmangel herrscht wird die Erhöhung der Löhne zu einer
Rationierung von Pflegleistungen am Kunden führen. Es ist in diesem
System gar nicht vorgesehen dass die Notwendigen Pflegeleistungen
bezahlt werden. Sie sollen selbst Pflegen! Um die
Lohnsteigerungen zu erwirtschaften braucht man dann mehr Kunden.
Woher sollen die kommen? Kein Pflegenotstand mehr, weil weniger
nachgefragt wird, und zack hat das Problem ein anderer. Sie,
oder ihre Eltern oder andere Verwandte.
Die Politik hat doch alles richtig gemacht. Sie werden dann wieder
als der größte Pflegedienst Deutschlands bezeichnet und alles wird
ganz wunderbar. So wie es immer wunderbar wird, also für kurz.
Ich persönlich halte das ganze eher für wunderlich! Was soll daran
gut sein? Entweder rennen Pflegekräfte mehr Patienten ab, oder die
Angehörigen machen es selbst. Das wird sicher eine fulminante
Steigerung der Qualität zur folge haben. Ich habe da so einen
Verdacht wie man darauf reagieren wird, noch mehr Kontrollen. Also
mehr Bürokratie, am besten aus dem Budget bezahlt was für die
Pflege zur Verfügung steht. Das hat schon immer Funktioniert. Wenn
durch Personalmangel Missstände aufgetreten sind, hat man nicht den
Personalmangel beseitigt, sondern die Dokumentationspflichten
ausgeweitet und mehr Kontrolliert. Sprich: Man spielt Bad Cop bei den
"Schwarzen Schafen". Zumindest will man sie das glauben
machen.
Im Vertrauen, ich
kenne einige Einrichtungen die von den Behörden längst geschlossen
sein müssten. In denen Menschen in Dienstplänen stehen, die nicht
existieren, die Fachkraftquoten nicht im Ansatz eingehalten werden,,
der Personalmangel einfach zum Himmel stinkt. In solchen
Einrichtungen müssen dann Listen geführt werden um zu beweisen wer
im Dienst war, die dann von den Behörden überprüft werden, wenn
die Listen mit ausreichend Namen gefüllt sind, dann ist alles wieder
gut.
Keine Sorge, es kommt
keiner und zählt nach!
Sie werden beim bescheißen mit
Listen (Dienstplänen) erwischt und bekommen als Auflage eine Liste
zu führen, damit sie nicht bescheißen. Es muss ein Genie gewesen
sein, der diesen Prozess erfunden hat. Oder jemand der zu Feige war
ein Heim final zu schließen. So spielt man dann Katz und Maus und
und suggeriert hier auch wieder Handlungsfähigkeit. Die Listen
führen dann die verbliebenen Pflegekräfte. Verstehen muss man das
alles nicht mehr.
Aber
ich schweife ab. Ich lasse mich immer wieder gerne hinreißen diesen
hirnrissigen Ablauf der Kontrollen zu beschreiben. Es geht hier
ja gerade um etwas anderes. Nämlich was jetzt noch oben, gleichsam
als Sahnehäubchen aufgesetzt wird, der große Wurf eben.
So weit ich das beurteilen kann hat keiner einen Pflegegrad, der nicht auf Hilfe angewiesen ist. Wenn schon Prävention in Deutschland eher ein Schattenpflänzchen ist, so sollte doch die Erhaltung von Gesundheit weiter im Fokus stehen. Es wird aber im Schnitt so sein, dass die Menschen die auf Pflege zugunsten von Pflegegeld verzichten am Ende der Krise sicher nicht gesundheitliche Gewinner sein werden. Die Frage ist welche Folgekosten wird das haben. Was auch ziemlich sicher ist, dass es wieder die trifft die schon mit dem Rücken zur Wand stehen. Das Phänomen, dass Geld der Faktor für Gesundheit ist, ist seit vielen Jahren bekannt und belegt.
Was passiert im Gegenzug auf Seiten der Pflege? Die Kündigung von Leistungen setzt am Ende Personal frei. Es wäre ein vermessener Gedanke, dass nun die Pflegekräfte Zeit haben. Der Flaschenhals ist immer noch die Finanzierung der Pflege. Auch wenn einige diesen Gedanken gar nicht teilen wollen, aber wir arbeiten für Geld. Unternehmen brauchen Geld um ihr Mitarbeiter zu bezahlen. Pflege hat nichts mit Barmherzigkeit zu tun. Es ist ein Geschäft, eine Dienstleistung. Niemand hat etwas zu verschenken, auch Pflegekräfte nicht. Wer jetzt meint ich wäre empathielos, das bin ich nicht. Professionell heißt nicht dämlich und emphatisch heißt nicht dass man seine eigenen Bedürfnisse vergessen muss. Das wir oft vergessen. Das zur Erklärung. Es wird also so kommen, dass wahrscheinlich die nachfrage nach Pflege und damit die Zahl der Pflegekräfte sinkt. Und jetzt reden sie sich bitte nichts ein, das ist Markt, das sollte so passieren. Politisch gewollt und in Gesetze gefasst. Mitarbeiter müssen jeden Monat bezahlt werden, wenn das nicht passiert sind sie nicht weg, sie hören nur auf zu pflegen. Die semilustige Analogie benutze ich schon absichtlich. Was machen diese Kollegen die gerade übrig sind? Sie suchen sich andere Jobs. Weil weder klatschen noch der Pflegepreis vom Ministerium Brötchen bezahlen. Die rein zufällig auch gerade etwas im Preis anziehen. Ich sage es ganz ehrlich, wer aus der Pflege raus ist und was anderes hat kommt nicht wieder. Zumindest der aller größte Teil.
Das hätte man alles wissen können. Allerdings wird auch da mit den selben Taschenspielertricks gearbeitet wie immer. Die Ankündigungen der Verbesserungen übernimmt die Politik. Die Rechnung, die zu Zahlen ist, dürfen dann Andere überbringen. Konnte die Politik ja gar nicht ahnen, dass Pflege nun teurer wird. Klar, warum auch die Tarifpflicht hat man eingeführt weil alle ja super bezahlt werden? Man wusste gar nicht, dass in der Langzeitpflege die Personalkosten so einen großen Anteil haben. Wenn dem so ist dann sollten wir dringlich mal überlegen was das Kompetenzprofil eines Gesundheitspolitikers sein sollte. Oder, was auch möglich ist, wir werden absichtlich verarscht. Wobei man ja nichts der Boshaftigkeit anheimstellen sollte was durch einfache Dummheit zu erklären ist. Andererseits folgt das ganze ja schon lange einer politischen Tradition. Niemals zugeben, dass etwas gar nicht funktioniert, lieber ein wenig Nachsteuern, Anreize setzen und ganz wichtig kontrollieren.
Anstatt zu sagen die Karre läuft so nicht mehr, wird hier gepinselt, da ein Spoiler angebracht und erklärt: nun Läuft das Ding.
Man kann aus einem Esel kein Rennpferd machen.
Probleme löst man in dem man die Ursachen bekämpft und nicht die Symptome. Der grundsätzliche Mangel wird nicht angegangen. Es werden ständig verschiedene Dinge in einen Topf geworfen und verrührt bis keiner mehr versteht worum es eigentlich geht. Viele die von Pflege sprechen, sprechen eigentlich von Betreuung. Haben sie schon einmal drüber nachgedacht, dass alles was Pflegekräfte machen auch von ihnen übernommen werden kann wenn sie wollen? Nun, dass liegt möglicherweise daran weil es gar keine Pflege im Sinne des Berufes ist. Bloß weil sie möglicherweise Räder wechseln können würden sie ja nicht glauben sie sind Automechaniker. Ich mache ihnen keinen Vorwurf, woher sollen sie das auch wissen, weil alles wofür Pflege bezahlt wird dürfen sie ja auch und können es in der Regel auch.
Es sind basale Hilfestellungen.
Sie werden in keinem Leistungsangebot eines Pflegedienstes Posten wie Pneumonieprophylaxe, oder Kontinenztraining sehen, genau so wenig wie pauschalen für fach- und sachgerechte Planung. Keine Rechnungen über Briefe an Krankenkassen oder Kostenträger.
Die Liste ist beliebig zu verlängern. Kurz um, was Pflege kann und ausmacht wird nicht vergütet. Damit das aber läuft hat sich der Gesetzgeber natürlich was ausgedacht: Kontrolle. Wenn ich nicht bezahlen will aber trotzdem die Leistung bekommen will, dann mach ich halt ein Gesetz dazu. Die professionelle Pflege soll alle möglichen Standards einhalten, die tatsächlich auch manchmal Sinn machen. Allerdings wird das natürlich nicht vergütet. Vergütet wird nur die Hand am Patienten, Planung, Evaluation, Fortbildung Fallbesprechungen müssen über Waschen und Toilettengänge finanziert werden. Falls sie sich Fragen wie das gehen soll, das frage ich mich auch. Was ich mich nicht frage, warum immer und immer mehr Fachfremde in der Pflege eingesetzt werden. Aus oben genanntem Grund. Einer muss das Geld für die Fachkräfte verdienen. Das sind mittlerweile in Heimen, mit gesetzlicher Billigung, die Hälfte aller Beschäftigten. Würden sie das in der Autowerkstatt oder bei einem Arzt akzeptieren? Wenn nicht machen sie sich mal Gedanken darüber. Pflegen kann eben nicht jeder, wir haben entweder ein Staatsexamen oder ein Studium hinter uns gebracht. Werden sie doch einfach Lehrer weil sie Kinder haben! Das geht nicht? Nach dem gedanklichen Ansatz: Pflege kann jeder, geht das doch! Sie müssen nur wollen und schon sind Sie teil der größten Schule Deutschlands! Sie glauben nicht, dass das genau so passiert in der Pflege?
Also seinen sie nicht böse wenn sie jetzt Oma oder Opa duschen müssen, das ist eine Tätigkeit für ungelernte Hilfskräfte. Um den Rest kümmern wir uns, solange sie uns noch bezahlen können. Aber das könnte nach dem nächsten großen Wurf schon ganz anders aussehen.
Aber auch wenn Heime ihre Gasrechnungen nicht mehr stemmen können oder ambulante Dienste ihren Sprit nicht zahlen. Dann lernen sie am besten ganz schnell Pflege, oder das was man ihnen erzählt hat was Pflege ist. Sie überwinden bestimmt ganz schnell ihre Hemmungen wenn Zuzahlungen im vierstelligen Bereich für ambulante Pflege im Raum stehen. Glauben sie, da werden einige nicht mehr sagen, deinen Job könnte ich nicht. Meinen Job können sie wenn sie nur wollen, zumindest das Tagesgeschäft, meinen Beruf allerdings noch lange nicht. Dann können sie vielleicht vom Pflegegeld wenigstens ihre Rechnungen bezahlen. So wie es jetzt schon vielen alten Menschen geht.
Zuschauen, wie immer. Sie wartet auf Rettung und wenn sie merkt, dass sie auch dieses Mal wieder den kürzeren gezogen hat wird sie Wahlweise auf Politik, Pflegekammern, Gewerkschaften oder was auch immer schimpfen. Dann wartet sie still und leise auf den nächsten großen Wurf der sie Retten wird. Also alles wie immer.
Die Lage in Deutschland verschärft sich. Es ist gar nicht mehr nur das Problem der Pflegefinanzierung. Energiepreise sind der Kostentreiber Nummer Eins. Man muss kein Hellseher sein um zu ahnen was nun als nächstes passieren wird. Menschen die Auf Pflege angewiesen sind werden eher auf Pflege verzichten als auf Essen oder Heizung. Es ist anzunehmen, dass wie es auch bisher schon völlig normal ist, Menschen deren Einkommen kaum für das tägliche Leben reicht, Leistungen Kündigen werden und das dann erhaltene Pflegegeld in ihr überleben stecken werden. Die Probleme und Kosten die das verursachen wird werden nicht ohne sein. Dazu zwei Gedanken.
Es werden also spannende Zeiten. Das mehr an Geld für die Pflegekräfte wird in der Inflation verpuffen. Am Ende der Krise wird es vielen Menschen gesundheitlich schlechter gehen. Und der Fachkräftemangel geht nicht weg. Das wird so bleiben bis jemand begreift, das Pflege nicht kostendeckend sondern bedarfsdeckend organisiert sein muss. Würden sie die Feuerwehr abschaffen bloß weil es länger nicht gebrannt hat? In Medizin und Gesundheit wird das so gemacht. Daseinsvorsorge und Kostenreduktion sind Zielkonflikte. Die gilt es zu lösen.
Das wäre der große Wurf!
Nun dreht sich das Rad wieder, es wird langsam Herbst und die Kollegen, die nun den nächsten Winter unter "Pandemiebedingungen" arbeiten müssen brechen weg. So leicht geht das, Covid ist schuld. Ich kann es tatsächlich nicht mehr hören. Das System war vor Covid schon am Anschlag. Was jetzt passiert ist nicht einfach auf Covid abzuwälzen. Es ist nicht einfach auf Maskenverweigerer und Partys zu schieben. Es sind Monate um Monate mit Covid ins Land gegangen und kein Schwein hat sich für die Bedingungen interessiert. Es ist nicht von Substanz beschlossen worden. Der Aufschrei nach Maskenpflicht und X-Fach Impfung ist so durchschaubar wie daneben. Jetzt haben einige wieder Angst sie bekommen nicht die medizinische Aufmerksamkeit die sie sich vorstellen. Ich kann verstehen, dass einige Angst davor haben. Allerdings bedroht euch jede Grippe oder was auch immer gerade umgeht. Es ist schon lange von Glück abhängig ob ihr gut behandelt oder gepflegt werdet. Redet euch nicht ein Covid ist Schuld. Das ist einfach zu kurz gegriffen, Pflegekräfte und anderes medizinisches Personal wird auch krank. Da können Sie so viel Maske tragen wie Sie wollen. Auch Fakt ist, je länger es so läuft wie jetzt um so mehr. In der für euch covidfreien Zeit konnten wir unsere Leistung endlich wieder von 150% auf 105% drosseln. Entspannung? Wo? Es ist niemand da um Überstunden abzubauen. Wir fahren schon in dem was ihr als Normalbetrieb kennt an der Grenze des machbaren. Die Verantwortlichen für diese Situation sind nicht die Menschen die keine Maske mehr tragen wollen oder was auch immer gerade verlangt wird um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Es sind die, die meinen unser Gesundheitssystem sei im Grunde gut aufgestellt. Eigentlich haben wir ja genug Pflegekräfte, sie sind halt nur am falschen Platz, das glauben zumindest die die politisch dafür verantwortlich zeichnen. Okay im Grunde haben sie Recht. Die Pflegekräfte sind in Teilzeit, weg oder krank. Ein Zusammenlegen von Patienten und Menschenmaterial in Pflegeburgen macht keine gute Versorgung. Es erleichtert nur das Verschieben von viel zu knappen Ressourcen. Ich habe keine Ahnung wer als nächstes Schuld sein wird, was ich aber sicher weiß ist, dass die Gesundheitspolitik sicher jemanden finden wird der dafür verantwortlich ist. Nur eben halt nicht die Politik, die macht im Grunde alles richtig. Einfach weitergehen, es gibt hier nichts zu sehen, wir informieren sie wenn es nötigt ist.
Manchmal überholt einen die Realität sogar beim Schreiben. Während ich an meinem Text arbeite verkündet Herr Lauterbach, dass die Pflegenden in den Krankenhäusern nur falsch eingesetzt werden, aber im Grunde genug da sind. Die Antwort ist, die anstrengenden Nachtdienste müssen weg. Warum kommt er darauf, dass das eine Lösung ist. Was will er? Mehr blutige Entlassungen? Das Problem auf Angehörige und ambulante Dienste abwälzen? Was passiert wohl wenn immer mehr ambulant in Tageskliniken operiert wird? Die Komplikationen werden dann am Ende die den Rettungsdienst und die Notaufnahmen belasten. Ich bin mir nicht sicher ob der Mann das Gesundheitswesen in seiner Komplexität versteht, Expertise für pflegerische Belange hat der Mann jedenfalls nicht. Er ist Gesundheitsökonom mit Approbation als Arzt.
Also alles wie immer. Und wenn der Sommer wieder kommt ist doch alles wieder gut.
Es ist mittlerweile viel passiert und viel Zeit vergangen. Ich habe die Seiten gewechselt. Mich als Leitung in den Burnout gearbeitet. Dabei habe ich immer versucht alles richtig zu machen. Einfach nicht wie andere den Druck nach unten weiterleiten, Arbeitsrecht ernst zu nehmen. Aber was hat es mir gebracht? Meine Familie hat gelitten, einfach nur weil ich es richtig machen wollte. Das ist jetzt Geschichte. Irgendwie hab ich mich aufgerappelt und mich wie so oft neu erfunden.
Daraus wurde : Ein letzter Versuch Pflege.
Jetzt bin ich PDL in eine Wohneinrichtung. Riesen Haus und man sollte meinen es gibt Ressourcen. Gibt es aber nicht. Die Kollegen arbeiten auf 200%, isolieren sich selbst und gehen am Stock. Die Bewohner sind zu mindestens einem Drittel in den Pflegegraden zu niedrig. Der Grund, keine Zeit, schlechte Schulung im Dokumentationssystem, der Bewohner muss erstmal versorgt werden. Ich habe das Problem angepackt und es hat funktioniert. Nur was hab ich jetzt? Genau, ich könnte Personal einstellen. Doch woher? Es war vor Corona schon nicht leicht, aber jetzt? Nicht mal mehr Leiharbeit ist zu bekommen. Die Qualität leidet, die Mitarbeiter leiden. Die übliche Antwort wurde auch schon gegeben, es muss mehr Kontrolle her. Klasse Idee! Was sollte das denn bringen? Menschen die jeden Tag wegen Personalausfällen entscheiden müssen was unbedingt wichtig ist und was warten muss zu sagen ihr habt nicht alles geschafft was wir verlangen?
Wisst ihr was wir tun? Das, was allen das kalte Schauern erzeugt. Triage! Jeden Tag! Glaubt ihr nicht? Triage heißt nicht nur über Beatmung zu entscheiden. Es heißt bei mangelnden Ressourcen Prioritäten zu setzen, damit möglichst viel für ALLE erreicht wird. Es ist nie eine Gute Entscheidung dabei. Es geht nur darum den Gesamtschaden möglichst niedrig zu halten.
Ich fürchte nur es wird nach Impfung und möglicherweise Ende der Pandemie in der Pflege nicht mehr besser werden. Zwölf Stunden Schichten, Arbeitsquarantäne, Dienstverpflichtung, Lavendel und Klatschen tun gerade ihr zerstörerisches Werk, keiner hat mehr Bock wichtig und arm und alleine zu sein. Gotteslohn ist um. Das ist nunmehr der Preis der zu zahlen ist. Das ganze Lied von Verantwortung für die Menschen zieht nicht mehr. Was die Pflege gelernt hat in 2020 ist, sie sind Menschen 2. Klasse. Für jeden systemrelevanten Scheiß ist Geld da, für die Pflege Lavendel. Alles geht von Böllerverbot bis Ausgangssperre, mehr Lohn für die Leute an der Front? Ne, das würde das System zu sehr belasten!
Ich habe mich mal verpflichtet gefühlt mich an die Regeln zu halten. Aber warum? Weil ich erwartet habe, dass man sieht: so geht es nicht mehr weiter. Ich dachte Corona zeigt deutlich die Schwächen des Systems Pflege in Deutschland. Aber es passiert nichts. Man redet sich weiter ein, dass alles gut gewesen ist, vor Corona, und danach auch alles wieder gut sein wird. Ich lehne mich so weit aus dem Fenster zu sagen, es wird nicht wieder gut. Ich sehe meine Mitarbeiter zweifeln. Sie zweifeln an dem was sie tun, zum Teil verzweifeln sie. Menschen bereiten sich auf ein einsames Weihnachten vor. Pflegekräften bleibt nicht einmal mehr das. Sie bereiten sich darauf vor in den nächsten Wochen noch mehr belastet zu werden. Weihnachten ist in der Pflege Jahr um Jahr die Hölle. Ausfälle, Krankheit, Einspringen, die Nerven liegen blank. Dieses Jahr weiß man nicht einmal mehr wann dieser Zustand endet. Im Januar, oder vielleicht erst im März oder gar erst nächstes Weihnachten? Die Überstunden die wir schieben, was sollen wir damit? In Freizeit nehmen, lächerlich! Bei der Personalnot ist jeder der Frei hat eine kleine Katastrophe. Bezahlen lassen? Leute, es gib viele in Kurzarbeit Null, die am Ende des Monats mehr Geld auf dem Konto haben als eine Pflegekraft.
Warum ich glaube, es wird nicht besser? Was zur Zeit gesucht wird sind nämlich Freiwillige. Freiwillige die uns entlasten. Was sagt mir das? Es ist immer noch niemandem klar, das Pflege Geld kosten darf, Geld kosten muss. Wie lächerlich würde es wirken wenn VW nach freiwilligen Mitarbeitern suchen würde um ihr geplantes Absatzziel zu erreichen? Da würde jeder sagen, wenn sie Leute suchen, müssen sie Geld auf den Tisch legen. Mit Recht! In der Pflege ist das natürlich anders, wie immer alles anders gesehen wird, in der Pflege. Wir sollen das System bitte nicht mit unseren Forderungen und Wünschen belasten. Wir sollen halt nur Wünsche erfüllen, das am besten kostenlos. Es wurde gesagt, wir haben einen sicheren Job, deswegen sollten wir dankbar sein. Für einige Kollegen war es übrigens ein todsicherer Job. Die Kollegen werden die Pflege verlassen, einer nach dem anderen und es wir noch immer keiner merken was passiert.
Die Pflege hat nicht die Menschen aufgegeben. Die Menschen haben die Pflege aufgegeben.
euer Garcon de Piss
Meine Eltern werden pflegebedürftig, was nun? Die Sicht der Angehörigen Was ich jetzt beschreibe ist eine Sicht auf die häufigsten Erfahru...