Mittwoch, 23. Dezember 2020

Drei Jahre später ...

Es ist mittlerweile viel passiert und viel Zeit vergangen. Ich habe die Seiten gewechselt. Mich als Leitung in den Burnout gearbeitet. Dabei habe ich immer versucht alles richtig zu machen. Einfach nicht wie andere den Druck nach unten weiterleiten, Arbeitsrecht ernst zu nehmen. Aber was hat es mir gebracht? Meine Familie hat gelitten, einfach nur weil ich es richtig machen wollte. Das ist jetzt Geschichte. Irgendwie hab ich mich aufgerappelt und mich wie so oft neu erfunden.

Daraus wurde : Ein letzter Versuch Pflege. 

Jetzt bin ich PDL in eine Wohneinrichtung. Riesen Haus und man sollte meinen es gibt Ressourcen. Gibt es aber nicht. Die Kollegen arbeiten auf 200%, isolieren sich selbst und gehen am Stock. Die Bewohner sind zu mindestens einem Drittel in den Pflegegraden zu niedrig. Der Grund, keine Zeit, schlechte Schulung im Dokumentationssystem, der Bewohner muss erstmal versorgt werden. Ich habe das Problem angepackt und es hat funktioniert. Nur was hab ich jetzt? Genau, ich könnte Personal einstellen. Doch woher? Es war vor Corona schon nicht leicht, aber jetzt? Nicht mal mehr Leiharbeit ist zu bekommen. Die Qualität leidet, die Mitarbeiter leiden. Die übliche Antwort wurde auch schon gegeben, es muss mehr Kontrolle her. Klasse Idee! Was sollte das denn bringen? Menschen die jeden Tag wegen Personalausfällen entscheiden müssen was unbedingt wichtig ist und was warten muss zu sagen ihr habt nicht alles geschafft was wir verlangen?

Wisst ihr was wir tun? Das, was allen das kalte Schauern erzeugt. Triage! Jeden Tag! Glaubt ihr nicht? Triage heißt nicht nur über Beatmung zu entscheiden. Es heißt bei mangelnden Ressourcen Prioritäten zu setzen, damit möglichst viel für ALLE erreicht wird. Es ist nie eine Gute Entscheidung dabei. Es geht nur darum den Gesamtschaden möglichst niedrig zu halten. 

Ich fürchte nur es wird nach Impfung und möglicherweise Ende der Pandemie in der Pflege nicht mehr besser werden. Zwölf Stunden Schichten, Arbeitsquarantäne, Dienstverpflichtung, Lavendel und Klatschen tun gerade ihr zerstörerisches Werk, keiner hat mehr Bock wichtig und arm und alleine zu sein. Gotteslohn ist um. Das ist nunmehr der Preis der zu zahlen ist. Das ganze Lied von Verantwortung für die Menschen zieht nicht mehr. Was die Pflege gelernt hat in 2020 ist, sie sind Menschen 2. Klasse. Für jeden systemrelevanten Scheiß ist Geld da, für die Pflege Lavendel. Alles geht von Böllerverbot bis Ausgangssperre, mehr Lohn für die Leute an der Front? Ne, das würde das System zu sehr belasten!

Ich habe mich mal verpflichtet gefühlt mich an die Regeln zu halten. Aber warum? Weil ich erwartet habe, dass man sieht: so geht es nicht mehr weiter. Ich dachte Corona zeigt deutlich die Schwächen des Systems Pflege in Deutschland. Aber es passiert nichts. Man redet sich weiter ein, dass alles gut gewesen ist, vor Corona, und danach auch alles wieder gut sein wird. Ich lehne mich so weit aus dem Fenster zu sagen, es wird nicht wieder gut. Ich sehe meine Mitarbeiter zweifeln. Sie zweifeln an dem was sie tun, zum Teil verzweifeln sie. Menschen bereiten sich auf ein einsames Weihnachten vor. Pflegekräften bleibt nicht einmal mehr das. Sie bereiten sich darauf vor in den nächsten Wochen noch mehr belastet zu werden. Weihnachten ist in der Pflege Jahr um Jahr die Hölle. Ausfälle, Krankheit, Einspringen, die Nerven liegen blank. Dieses Jahr weiß man nicht einmal mehr wann dieser Zustand endet. Im Januar, oder vielleicht erst im März oder gar erst nächstes Weihnachten? Die Überstunden die wir schieben, was sollen wir damit? In Freizeit nehmen, lächerlich! Bei der Personalnot ist jeder der Frei hat eine kleine Katastrophe. Bezahlen lassen? Leute, es gib viele in Kurzarbeit Null, die am Ende des Monats mehr Geld auf dem Konto haben als eine Pflegekraft.

Warum ich glaube, es wird nicht besser? Was zur Zeit gesucht wird sind nämlich Freiwillige. Freiwillige die uns entlasten. Was sagt mir das? Es ist immer noch niemandem klar, das Pflege Geld kosten darf, Geld kosten muss. Wie lächerlich würde es wirken wenn VW nach freiwilligen Mitarbeitern suchen würde um ihr geplantes Absatzziel zu erreichen? Da würde jeder sagen, wenn sie Leute suchen, müssen sie Geld auf den Tisch legen. Mit Recht! In der Pflege ist das natürlich anders, wie immer alles  anders gesehen wird, in der Pflege. Wir sollen das System bitte nicht mit unseren Forderungen und Wünschen belasten. Wir sollen halt nur Wünsche erfüllen, das am besten kostenlos. Es wurde gesagt, wir haben einen sicheren Job, deswegen sollten wir dankbar sein. Für einige Kollegen war es übrigens ein todsicherer Job. Die Kollegen werden die Pflege verlassen, einer nach dem anderen und es wir noch immer keiner merken was passiert. 

Die Pflege hat nicht die Menschen aufgegeben. Die Menschen haben die Pflege aufgegeben.


euer Garcon de Piss


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