Donnerstag, 27. Oktober 2022

Das vergiftete Geschenk

Das vergiftete Geschenk

Ich habe an dem folgenden Text länger laboriert und ehrlich gesagt wusste ich nicht ob ich dazu überhaupt etwas schreiben sollte. Meine Erfahrung ist, dass es niemanden interessiert was im Gesundheitssystem los ist. Die Gesundheitskompetenz ist auf dem Tiefpunkt angelangt, jeder glaubt er könnte sich ewig gesund halten, aber scheitert bei den einfachsten Krankheiten. Wenn skandalöse Bedingungen aufgedeckt werden ist der Ruf nach mehr Kontrolle das einzige was passiert. In einer Zeit wo Narrative und Wordings der neue heiße Scheiß sind, ist mit Analyse und Strategie nicht mehr viel zu reißen. Also gehe ich davon aus, dass die eingeweihte Bubble mir zunicken wird und ansonsten ist egal was Pflege zu Pflege sagt. Der aufgeklärte Bürger weiß es schließlich besser. Er ist ja gesund und das wir auch immer so bleiben. Unfälle, Krankheiten, Infektionen passieren ja nur den ungebildeten und unvorsichtigen Mitmenschen. Sollte es doch passieren dann ist der Augenöffner da, doch leider werden dann die Schuldigen nie an der richtigen Stelle gesucht. Aber sei es drum. Ich schreibe und bin es los. Auch wenn es nichts bewegt, es tut mir gut. Das ist eigentlich das wichtigste, damit ich gesund bleibe.

Was bisher geschah:

Die Pflege in Deutschland liegt ja nun schon seit längerem auf dem Sterbebett. Es wurden daher allerlei große Ideen eingebracht wie die Pflege zu retten ist. Fachkräfte aus dem Ausland oder eine Ausbildungsoffensive oder was auch immer Politikern so zu dem Thema einfallen ist. Alle diese gut gemeinten Maßnahmen hatten aber von Anfang an einen Geburtsfehler. Keiner hat sich damit beschäftigt wie die Dispositionsmasse Pflege die Sache sieht. Nehmen wir die Ausbildungsoffensive, gut gemeint aber was genau bringt eine Ausbildungsoffensive in der ich meine Hilfskräfte zu Fachkräften ausbilde um dann hinterher keine Hilfskräfte mehr zu haben und diese dann wieder umständlich am Arbeitsmarkt zu beschaffen. Aber gut, das ist ja die Antwort auf alles in Deutschland, Bildung. Ach nein, es gibt ja noch eine universelle Antwort auf Fragen wenn Arbeitskräfte fehlen: Zuwanderung. Mal abgesehen davon, dass wir anderen Ländern die mit Sicherheit auch nicht in Fachkräften schwimmen die Fachkräfte weglocken wollen, ist da ja auch noch eine Sache. Hätte man mit Leuten vom Fach ernsthaft geredet wäre möglicherweise, ich betone möglicherweise, warum erkläre ich später, zu der Erkenntnis gekommen, dass was der Deutsche, insbesondere der deutsche Politiker unter Pflege versteht nicht ganz dem Kompetenzprofil Ausländischer Kollegen entspricht. Die sind keine Hochleistungswaschlappen, sondern zum Teil akademische Pflegekräfte die, da staunt der Deutsche, Pflege als Profession betrachten. Nicht etwa als Waschlappenakrobatik und Exkrementbeseitigungszunft. Dass diese Leute bei der Stellung der Pflege in der Gesundheitsbranche schreiend weglaufen würden war eigentlich zu erwarten.


Nun kommen wir zur dem versprochenen möglicherweise von oben. Meine Erfahrung ist, dass genau in dem Moment wo Pflege an der richtigen Stelle etwas sagen könnte allzu oft die Vertreter, oder die die dazu Berufen werden, an plötzlicher Stimmbandlähmung leiden. Oder an Gedächtnisstörungen. Oder vielleicht auch beidem. Vielleicht ist es aber auch die Sozialisierung der Pflege die dort die Luft abschnürt.

Die Pflege will ja, qua ihrer professionell dienenden Einstellung, niemandem auf den Sack gehen, auch nicht wenn es dringend Geboten wäre. Andererseits ist es vielleicht auch einfach nur Feigheit, weil man ja vielleicht nie wieder zu so etwas wichtigem eingeladen wird, wenn man jemandem mal eine klare Kante zeigt.


Das führt dann auch dazu was wir nun haben: Eine Situation bei der man sich nur gepflegt den Kopf gegen eine beliebige harte Oberfläche schmettern kann damit man so viel Kurzsicht ertragen kann.



Der Große Wurf

Der bisher größte Wurf in der Geschichte der Pflegereformen ist mit ziemlicher Sicherheit das:


Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) 


Und die sich daraus ergebenden Nebenbedingungen. Und damit sind wir nun auch beim vergifteten Geschenk. Das steht im §72 3a bis 3f SGB XI. Zunächst wirkt es so als wenn der Gesetzgeber endlich verstanden hätte, das eine faire Entlohnung in der Pflege überfällig ist. Das kann man auch als dringend überfällig betrachten. Warum also ein vergiftetes Geschenk, ist doch alles bestens. Die Pflege erhält im Schnitt mehr Lohn, damit wird der Beruf attraktiver die Personalnot schwindet, alles wird gut.
Auch da unterstelle ich den Akteuren Kurzsichtigkeit. Dazu muss man allerdings mal über folgendes nachdenken. Wie wollte man noch die Kosten der Pflege senken? Na erinnert man sich noch daran. Richtig! Über den Markt und mehr Konkurrenz. Das funktioniert ja, dass weiß ja jedes Kind. Blöd halt nur, dass man die Art der Finanzierung ein wenig vergessen hat. Es gibt einen Satz der zur Verfügung steht und nach einer Bedürftigkeitsprüfung zur Verfügung steht. Bedürftigkeit nettes Wort, böse Falle. Bedürftigkeit ist nicht der Bedarf. Es wird kein Bedarf festgestellt. Der Pflegebedarf ist völlig unerheblich in diesem System. Man bekommt einen Grad der Pflegebedürftigkeit und damit Summe X, die natürlich bei der Ausgestaltung der Pflegeversicherung nicht den Bedarf abdeckt. Das war auch so gewollt. Jetzt läuft dieses System nun aber schon seit Jahren so. Wer hat nun bei den Kunden den größten Vorteil, besonders bei denen die wenig bis kein Geld zur Verfügung haben? Genau, die Billigheimer. Egal ob Ambulant oder Stationär, in der Langzeitpflege ist gefragt ob es günstig ist. Mehr Leitungen für weniger Geld, sprich Zuzahlung. Wie macht man das? Klar, Kostenfaktor Nummer eins ist das Pflegepersonal. Also möglichst weg damit und wenig Zahlen. 
Jetzt sollte die Politik ein ganz bisschen Vorsichtig sein den Billigheimern die Schuld für diese Entwicklung in die Schuhe zu schieben. Diese Entwicklung der Situation hätte man vorher sehen können. Zumindest wenn man in Ruhe mal diese Geschichte bis zu Ende gedacht hätte. Das ist aber heute schon lange nicht mehr der Normalfall. Man beschließt mit Tammtamm und Fanfaren den großen Wurf um dann irgendwann, mittlerweile immer schneller, zu Merken, hätte ich das mal bis zum Ende durchdacht....  Klingt geil, mach ich so scheint das Motto zu sein. Übrigens nicht nur in der Pflegepolitik.
Und jetzt sitzen wir also da. Ziemlich angeschmiert.
Wahrscheinlich wird kaum einer der Sich nicht mit Pflege und deren Finanzierung beschäftigt hat auf Anhieb verstehen welche Bombe dort sprichwörtlich ins Bett gelegt wurde. Ich Spoiler mal, Pflegende Angehörige wissen spätestens nach der nächsten Abrechnung des unterstützenden Pflegdienstes was ich meine. Bis zu 25% Preissteigerung. Das tut weh. Aber ist ja nicht schlimm ist ja so gewollt. Glaubt einer, dass die Politik vergessen hat die Beträge für Pflegsachleistung zu erhöhen? Wenn ja ändert es auch nichts, der gelackmeierte ist zunächst einmal der Pflegebedürftige. Auch im Pflegeheim, aber da geht das subtiler.
Zunächst ist der Pflegebedürftige der gelackmeierte. Kosten für ambulante Leistungen steigen, Pflegesätze in Heimen steigen. Personalkosten steigen. Aber die Finanzierung bleibt im Volumen gleich. Ich denke, dass der Eine oder Andere bereits drauf gekommen ist was passieren wird.


Aber dazu erstmal ein Beispiel:


Nehmen wir also an sie sind die Verwandtschaft von Herrn und Frau Brömmelkamp beide über 80 , sie Pflegegrad 2 und der Herr Pflegegrad 4. Allerdings wohnen sie sportliche 30 km weg. Bisher hat der Pflegedienst alles an Sachleistung ausgeschöpft um ihre Verwandtschaft über die Runden zu bringen, weil die alte Dame es nicht mehr schafft ihren Mann alleine zu versorgen. Glücklicherweise brauchen die Herrschaften das Pflegegeld nicht zum überleben. Alleine das schreiben zu müssen finde ich schon grenzwertig, ist aber eine andere Baustelle. Dann haben wir also 1612€ für Opa Brömmelkamp und 689€ für Oma Brömmelkamp. Macht zusammen 2301€. Die sind nun aber bereits voll verplant für alles was die beiden benötigen und eigentlich ist das auch schon knapp, so dass Oma Brömmelkamp auch Dinge übernimmt. So und nun kommt die Pflegedienstleitung des neuen Pflegedienstes die sich jetzt einem Tarif anschließen musste. Dazu bekommt sie neue Preise zugewiesen, ja zugewiesen!  Plötzlich kostet das was die Herrschaften beim Dienst gebucht haben aber 2876,25 ein Plus von 25%. Weitermachen heißt 575,25 Monatlich zuzahlen. Mal im Ernst, selbst bei guter Rente ist das doch eher ein Wenig happig. 
Was wird also passieren? Die Leistungen werden gekürzt und sie werden gefragt ob nicht wenigstens Samstags einer vorbei kommen kann um Opa zu duschen.
Selbstverständlich ist das ein wenig plakativ, aber um die Gedanken in die richtige Richtung zu lenken ist es ausreichend.
Politisch halte ich es aber für eine super Aktion. Ich stärke die Pflege durch im Schnitt höhere Gehälter, da bin ich doch einer von den Guten, nicht so ein Balkonklatscher. Dadurch verbessern sich schlagartig die Arbeitsbedingungen und es werden mehr Pflegkräfte kommen und der Pflegnotstand ist Geschichte. Was für ein großer Wurf!
Was wenige bemerken ist, dass man uns alle wieder schön hinter die Fichte geführt hat. Solange im System immanenter Geldmangel herrscht wird die Erhöhung der Löhne zu einer Rationierung von Pflegleistungen am Kunden führen. Es ist in diesem System gar nicht vorgesehen dass die Notwendigen Pflegeleistungen bezahlt werden.  Sie sollen selbst Pflegen!  Um die Lohnsteigerungen zu erwirtschaften braucht man dann mehr Kunden. Woher sollen die kommen?  Kein Pflegenotstand mehr, weil weniger nachgefragt wird, und zack hat das Problem ein anderer. 
Sie, oder ihre Eltern oder andere Verwandte. Die Politik hat doch alles richtig gemacht. Sie werden dann wieder als der größte Pflegedienst Deutschlands bezeichnet und alles wird ganz wunderbar.  So wie es immer wunderbar wird, also für kurz. Ich persönlich halte das ganze eher für wunderlich! Was soll daran gut sein? Entweder rennen Pflegekräfte mehr Patienten ab, oder die Angehörigen machen es selbst. Das wird sicher eine fulminante Steigerung der Qualität zur folge haben. Ich habe da so einen Verdacht wie man darauf reagieren wird, noch mehr Kontrollen. Also mehr Bürokratie, am besten aus dem Budget bezahlt was für die Pflege zur Verfügung steht. Das hat schon immer Funktioniert. Wenn durch Personalmangel Missstände aufgetreten sind, hat man nicht den Personalmangel beseitigt, sondern die Dokumentationspflichten ausgeweitet und mehr Kontrolliert. Sprich: Man spielt Bad Cop bei den "Schwarzen Schafen". Zumindest will man sie das glauben machen.
 Im Vertrauen, ich kenne einige Einrichtungen die von den Behörden längst geschlossen sein müssten. In denen Menschen in Dienstplänen stehen, die nicht existieren, die Fachkraftquoten nicht im Ansatz eingehalten werden,, der Personalmangel einfach zum Himmel stinkt. In solchen Einrichtungen müssen dann Listen geführt werden um zu beweisen wer im Dienst war, die dann von den Behörden überprüft werden, wenn die Listen mit ausreichend Namen gefüllt sind, dann ist alles wieder gut.
 Keine Sorge, es kommt keiner und zählt nach! 
Sie werden beim bescheißen mit Listen (Dienstplänen) erwischt und bekommen als Auflage eine Liste zu führen, damit sie nicht bescheißen. Es muss ein Genie gewesen sein, der diesen Prozess erfunden hat. Oder jemand der zu Feige war ein Heim final zu schließen. So spielt man dann Katz und Maus und und suggeriert hier auch wieder Handlungsfähigkeit. Die Listen führen dann die verbliebenen Pflegekräfte. Verstehen muss man das alles nicht mehr.


Aber ich schweife ab. Ich lasse mich immer wieder gerne hinreißen diesen hirnrissigen Ablauf  der Kontrollen zu beschreiben. Es geht hier ja gerade um etwas anderes. Nämlich was jetzt noch oben, gleichsam als Sahnehäubchen aufgesetzt wird, der große Wurf eben.



Hätte man Wissen können..

  • So weit ich das beurteilen kann hat keiner einen Pflegegrad, der nicht auf Hilfe angewiesen ist. Wenn schon Prävention in Deutschland eher ein Schattenpflänzchen ist, so sollte doch die Erhaltung von Gesundheit weiter im Fokus stehen. Es wird aber im Schnitt so sein, dass die Menschen die auf Pflege zugunsten von Pflegegeld verzichten am Ende der Krise sicher nicht gesundheitliche Gewinner sein werden. Die Frage ist welche Folgekosten wird das haben. Was auch ziemlich sicher ist, dass es wieder die trifft die schon mit dem Rücken zur Wand stehen. Das Phänomen, dass Geld der Faktor für Gesundheit ist, ist seit vielen Jahren bekannt und belegt.

  • Was passiert im Gegenzug auf Seiten der Pflege? Die Kündigung von Leistungen setzt am Ende Personal frei. Es wäre ein vermessener Gedanke, dass nun die Pflegekräfte Zeit haben. Der Flaschenhals ist immer noch die Finanzierung der Pflege. Auch wenn einige diesen Gedanken gar nicht teilen wollen, aber wir arbeiten für Geld. Unternehmen brauchen Geld um ihr Mitarbeiter zu bezahlen. Pflege hat nichts mit Barmherzigkeit zu tun. Es ist ein Geschäft, eine Dienstleistung. Niemand hat etwas zu verschenken, auch Pflegekräfte nicht. Wer jetzt meint ich wäre empathielos, das bin ich nicht. Professionell heißt nicht dämlich und emphatisch heißt nicht dass man seine eigenen Bedürfnisse vergessen muss. Das wir oft vergessen. Das zur Erklärung. Es wird also so kommen, dass wahrscheinlich die nachfrage nach Pflege und damit die Zahl der Pflegekräfte sinkt. Und jetzt reden sie sich bitte nichts ein, das ist Markt, das sollte so passieren. Politisch gewollt und in Gesetze gefasst. Mitarbeiter müssen jeden Monat bezahlt werden, wenn das nicht passiert sind sie nicht weg, sie hören nur auf zu pflegen. Die semilustige Analogie benutze ich schon absichtlich. Was machen diese Kollegen die gerade übrig sind? Sie suchen sich andere Jobs. Weil weder klatschen noch der Pflegepreis vom Ministerium Brötchen bezahlen. Die rein zufällig auch gerade etwas im Preis anziehen. Ich sage es ganz ehrlich, wer aus der Pflege raus ist und was anderes hat kommt nicht wieder. Zumindest der aller größte Teil.



Das hätte man alles wissen können. Allerdings wird auch da mit den selben Taschenspielertricks gearbeitet wie immer. Die Ankündigungen der Verbesserungen übernimmt die Politik. Die Rechnung, die zu Zahlen ist, dürfen dann Andere überbringen. Konnte die Politik ja gar nicht ahnen, dass Pflege nun teurer wird. Klar, warum auch die Tarifpflicht hat man eingeführt weil alle ja super bezahlt werden? Man wusste gar nicht, dass in der Langzeitpflege die Personalkosten so einen großen Anteil haben. Wenn dem so ist dann sollten wir dringlich mal überlegen was das Kompetenzprofil eines Gesundheitspolitikers sein sollte. Oder, was auch möglich ist, wir werden absichtlich verarscht. Wobei man ja nichts der Boshaftigkeit anheimstellen sollte was durch einfache Dummheit zu erklären ist. Andererseits folgt das ganze ja schon lange einer politischen Tradition. Niemals zugeben, dass etwas gar nicht funktioniert, lieber ein wenig Nachsteuern, Anreize setzen und ganz wichtig kontrollieren. 


Anstatt zu sagen die Karre läuft so nicht mehr, wird hier gepinselt, da ein Spoiler angebracht und erklärt: nun Läuft das Ding.

Man kann aus einem Esel kein Rennpferd machen. 


Probleme löst man in dem man die Ursachen bekämpft und nicht die Symptome. Der grundsätzliche Mangel wird nicht angegangen. Es werden ständig verschiedene Dinge in einen Topf geworfen und verrührt bis keiner mehr versteht worum es eigentlich geht. Viele die von Pflege sprechen, sprechen eigentlich von Betreuung. Haben sie schon einmal drüber nachgedacht, dass alles was Pflegekräfte machen auch von ihnen übernommen werden kann wenn sie wollen? Nun, dass liegt möglicherweise daran weil es gar keine Pflege im Sinne des Berufes ist. Bloß weil sie möglicherweise Räder wechseln können würden sie ja nicht glauben sie sind Automechaniker. Ich mache ihnen keinen Vorwurf, woher sollen sie das auch wissen, weil alles wofür Pflege bezahlt wird dürfen sie ja auch und können es in der Regel auch.

Es sind basale Hilfestellungen.

Sie werden in keinem Leistungsangebot eines Pflegedienstes Posten wie Pneumonieprophylaxe, oder Kontinenztraining sehen, genau so wenig wie pauschalen für fach- und sachgerechte Planung. Keine Rechnungen über Briefe an Krankenkassen oder Kostenträger. 

Die Liste ist beliebig zu verlängern. Kurz um, was Pflege kann und ausmacht wird nicht vergütet. Damit das aber läuft hat sich der Gesetzgeber natürlich was ausgedacht: Kontrolle. Wenn ich nicht bezahlen will aber trotzdem die Leistung bekommen will, dann mach ich halt ein Gesetz dazu. Die professionelle Pflege soll alle möglichen Standards einhalten, die tatsächlich auch manchmal Sinn machen. Allerdings wird das natürlich nicht vergütet. Vergütet wird nur die Hand am Patienten, Planung, Evaluation, Fortbildung Fallbesprechungen müssen über Waschen und Toilettengänge finanziert werden. Falls sie sich Fragen wie das gehen soll, das frage ich mich auch. Was ich mich nicht frage, warum immer und immer mehr Fachfremde in der Pflege eingesetzt werden. Aus oben genanntem Grund. Einer muss das Geld für die Fachkräfte verdienen. Das sind mittlerweile in Heimen, mit gesetzlicher Billigung, die Hälfte aller Beschäftigten. Würden sie das in der Autowerkstatt oder bei einem Arzt akzeptieren? Wenn nicht machen sie sich mal Gedanken darüber. Pflegen kann eben nicht jeder, wir haben entweder ein Staatsexamen oder ein Studium hinter uns gebracht. Werden sie doch einfach Lehrer weil sie Kinder haben! Das geht nicht? Nach dem gedanklichen Ansatz: Pflege kann jeder, geht das doch! Sie müssen nur wollen und schon sind Sie teil der größten Schule Deutschlands! Sie glauben nicht, dass das genau so passiert in der Pflege?

Also seinen sie nicht böse wenn sie jetzt Oma oder Opa duschen müssen, das ist eine Tätigkeit für ungelernte Hilfskräfte. Um den Rest kümmern wir uns, solange sie uns noch bezahlen können. Aber das könnte nach dem nächsten großen Wurf schon ganz anders aussehen. 

Aber auch wenn Heime ihre Gasrechnungen nicht mehr stemmen können oder ambulante Dienste ihren Sprit nicht zahlen. Dann lernen sie am besten ganz schnell Pflege, oder das was man ihnen erzählt hat was Pflege ist. Sie überwinden bestimmt ganz schnell ihre Hemmungen wenn Zuzahlungen im vierstelligen Bereich für ambulante Pflege im Raum stehen. Glauben sie, da werden einige nicht mehr sagen, deinen Job könnte ich nicht. Meinen Job können sie wenn sie nur wollen, zumindest das Tagesgeschäft, meinen Beruf allerdings noch lange nicht. Dann können sie vielleicht vom Pflegegeld wenigstens ihre Rechnungen bezahlen. So wie es jetzt schon vielen alten Menschen geht. 



Und was macht die Pflege als Profession?


Zuschauen, wie immer. Sie wartet auf Rettung und wenn sie merkt, dass sie auch dieses Mal wieder den kürzeren gezogen hat wird sie Wahlweise auf Politik, Pflegekammern, Gewerkschaften oder was auch immer schimpfen. Dann wartet sie still und leise auf den nächsten großen Wurf der sie Retten wird. Also alles wie immer. 


Nachtrag Stand Ende September

Die Lage in Deutschland verschärft sich. Es ist gar nicht mehr nur das Problem der Pflegefinanzierung. Energiepreise sind der Kostentreiber Nummer Eins. Man muss kein Hellseher sein um zu ahnen was nun als nächstes passieren wird. Menschen die Auf Pflege angewiesen sind werden eher auf Pflege verzichten als auf Essen oder Heizung. Es ist anzunehmen, dass wie es auch bisher schon völlig normal ist, Menschen deren Einkommen kaum für das tägliche Leben reicht, Leistungen Kündigen werden und das dann erhaltene Pflegegeld in ihr überleben stecken werden. Die Probleme und Kosten die das verursachen wird werden nicht ohne sein. Dazu zwei Gedanken.

Es werden also spannende Zeiten. Das mehr an Geld für die Pflegekräfte wird in der Inflation verpuffen. Am Ende der Krise wird es vielen Menschen gesundheitlich schlechter gehen. Und der Fachkräftemangel geht nicht weg. Das wird so bleiben bis jemand begreift, das Pflege nicht kostendeckend sondern bedarfsdeckend organisiert sein muss. Würden sie die Feuerwehr abschaffen bloß weil es länger nicht gebrannt hat? In Medizin und Gesundheit wird das so gemacht. Daseinsvorsorge und Kostenreduktion sind Zielkonflikte. Die gilt es zu lösen. 

Das wäre der große Wurf!

Nachtrag Oktober:

Nun dreht sich das Rad wieder, es wird langsam Herbst und die Kollegen, die nun den nächsten Winter unter "Pandemiebedingungen" arbeiten müssen brechen weg. So leicht geht das, Covid ist schuld. Ich kann es tatsächlich nicht mehr hören. Das System war vor Covid schon am Anschlag. Was jetzt passiert ist nicht einfach auf Covid abzuwälzen. Es ist nicht einfach auf Maskenverweigerer und Partys zu schieben. Es sind Monate um Monate mit Covid ins Land gegangen und kein Schwein hat sich für die Bedingungen interessiert. Es ist nicht von Substanz beschlossen worden. Der Aufschrei nach Maskenpflicht und X-Fach Impfung ist so durchschaubar wie daneben. Jetzt haben einige wieder Angst sie bekommen nicht die medizinische Aufmerksamkeit die sie sich vorstellen. Ich kann verstehen, dass einige Angst davor haben. Allerdings bedroht euch jede Grippe oder was auch immer gerade umgeht. Es ist schon lange von Glück abhängig ob ihr gut behandelt oder gepflegt werdet. Redet euch nicht ein Covid ist Schuld. Das ist einfach zu kurz gegriffen, Pflegekräfte und anderes medizinisches Personal wird auch krank. Da können Sie so viel Maske tragen wie Sie wollen. Auch Fakt ist, je länger es so läuft wie jetzt um so mehr. In der für euch covidfreien Zeit konnten wir unsere Leistung endlich wieder von 150% auf 105% drosseln. Entspannung? Wo? Es ist niemand da um Überstunden abzubauen. Wir fahren schon in dem was ihr als Normalbetrieb kennt an der Grenze des machbaren. Die Verantwortlichen für diese Situation sind nicht die Menschen die keine Maske mehr tragen wollen oder was auch immer gerade verlangt wird um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Es sind die, die meinen unser Gesundheitssystem sei im Grunde gut aufgestellt. Eigentlich haben wir ja genug Pflegekräfte, sie sind halt nur am falschen Platz, das glauben zumindest die die politisch dafür verantwortlich zeichnen. Okay im Grunde haben sie Recht. Die Pflegekräfte sind in Teilzeit, weg oder krank. Ein Zusammenlegen von Patienten und Menschenmaterial in Pflegeburgen macht keine gute Versorgung. Es erleichtert nur das Verschieben von viel zu knappen Ressourcen. Ich habe keine Ahnung wer als nächstes Schuld sein wird, was ich aber sicher weiß ist, dass die Gesundheitspolitik sicher jemanden finden wird der dafür verantwortlich ist. Nur eben halt nicht die Politik, die macht im Grunde alles richtig. Einfach weitergehen, es gibt hier nichts zu sehen, wir informieren sie wenn es nötigt ist. 

Manchmal überholt einen die Realität sogar beim Schreiben. Während ich an meinem Text arbeite verkündet Herr Lauterbach, dass die Pflegenden in den Krankenhäusern nur falsch eingesetzt werden, aber im Grunde genug da sind. Die Antwort ist, die anstrengenden Nachtdienste müssen weg. Warum kommt er darauf, dass das eine Lösung ist. Was will er? Mehr blutige Entlassungen? Das Problem auf Angehörige und ambulante Dienste abwälzen? Was passiert wohl wenn immer mehr ambulant in Tageskliniken operiert wird? Die Komplikationen werden dann am Ende die den Rettungsdienst und die Notaufnahmen belasten. Ich bin mir nicht sicher ob der Mann das Gesundheitswesen in seiner Komplexität versteht, Expertise für pflegerische Belange hat der Mann jedenfalls nicht. Er ist Gesundheitsökonom mit Approbation als Arzt. 


Also alles wie immer. Und wenn der Sommer wieder kommt ist doch alles wieder gut.






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