Hallo Ihr Lieben,
da bin ich wieder. Ihr wollt ja nun
sicher wissen, wie es mit meinem Kumpel Stefan so weiter ging. Der 2.
Teil meiner Reihe „Warum ich auf Twitter so dermaßen ausraste,
wenn es um mein Lehr- *räusper* Krankenhaus geht“ wird Eure
Neugier sicher befriedigen. Allerdings möchte ich auch nicht
unerwähnt lassen, dass dies keine Schilderung eines traurigen
Einzelfalles ist. Ihr werdet wohl nicht sonderlich überrascht sein,
dass ich nicht die einzige war, die so ihre Schwierigkeiten damit
hatte, zu verstehen „wie Krankenhaus denn so läuft“. Meine
Geschichte steht hier stellvertretend für viele Geschichten dieser
Art. Die Dreistigkeit mit der systematisch gemobbt, gelogen, betrogen
und verleumdet wurde wenn das Opfer im vermeidlichen
Abhängigkeitsverhältnis steht, könnte durchaus für Erstaunen
sorgen, aber lest einfach selbst!
Der 2. Akt:
„Von Kühen und Schweinen!“
Die Patientin in ihrem isolierten
Zimmer, verwirrt, abgemagert, halb tot, Ihr erinnert Euch? Die
Patientin, für die sich niemand interessiert hat, weil es einfach
umständlich und lästig ist, sich an- und auszuziehen, bloß um nach
einer todkranken Frau zu sehen. Die Patientin, bei der offensichtlich
völlig scheiß egal war ob jemand, der lediglich 4 Woche Schule
hatte, sie durch Unwissenheit verletzt oder womöglich umbringt.
Genau die Patientin, ich nenne sie einfach mal Frau Seiler, kam
plötzlich zu einer Aufmerksamkeit von ungeahntem Ausmaß. Die
einzige Rettung für Menschen wie sie, die im Krankenhausalltag
einfach nur stören und keiner sehen will, sind Angehörige, die das
a) überhaupt bemerken und
b) deshalb ein riesen Theater machen.
Oder
engagiertes Pflegepersonal mit Durchsetzungskraft. Oder noch besser,
Pflegepersonal als Angehörige, da liegt die Klage bereits drohend in
der Luft und deshalb geben die Kollegen immer besonders Gas und
sichern sich dreifach ab, eh da noch was schief geht. Aber das ist
ein anderes Thema.
Unsere Patientin jedenfalls hatte Besuch. Dieser
hatte natürlich überhaupt keine Ahnung, was die Zustände angeht,
in der ihre Mutter (und das muss ich leider genau so formulieren)
dahin vegetierte. Aber das war völlig egal, denn es reicht schon,
wenn Angehörige aus Prinzip gern alles bemängeln, wenn sie es
einmal im Quartal zu ihrer todkranken Mutter ins Krankenhaus
schaffen. Allerdings gab es diesmal sogar einen konkreten Anlass.
Mama hatte behauptet von einer Schwester beschimpft und bedroht
worden zu sein und zwar mit folgendem Wortlaut:
„Jetzt halt endlich
die Fresse, sonst lasse ich Dich hier verrecken!“
Nun gut, die
Patientin steht unter Medikamenten, ist zwischenzeitlich völlig
desorientiert und schlägt nach dem Pflegepersonal weil sie meint,
vergiftet zu werden. Man könnte den Wahrheitsgehalt dieser Aussage
somit durchaus anzweifeln. Dennoch glaubte ich der Frau aufs Wort.
Aber jetzt mal der Reihe nach.
An besagten Tag komme ich zum
Frühdienst. 15 Minuten zu früh, wie es von mir erwartet wird, und
koche Kaffee. Nachtdienst hatte „der Bauer“. Der Bauer ist
weiblich, geht auf die 50 zu und ist Dauernachtwache auf der Station
und somit ausschließlich nachts und allein im Dienst. Bauer wird sie
liebevoll von sämtlichen Kollegen in ihrer Abwesenheit genannt
aufgrund ihrer „außergewöhnlichen“ Übergaben. Sie hat nämlich
offensichtlich nie Patienten über Nacht betreut sondern Tiere. Sätze
wie „Und dann hat das Schwein auch noch nach mir geschlagen.“
oder „Die arrogante Kuh meint wohl, ich hätte nichts anderes zu
tun, als ihr das scheiß Wasser zu bringen.“ oder „Die Sau hat
wieder an der Urinflasche vorbei gepisst.“ sind bei Schwester Bauer
keine Seltenheit. Um es kurz zu fassen. Schwester Bauer hasst
Patienten und gibt sich auch keinerlei Mühe ihre Verachtung zu
verbergen.
Der Dienst beginnt also wie immer mit
einer Übergabe, in der uns detailliert zwischen Kaffee 1 und Kaffee
3 berichtet wird, wie scheiße die Patienten doch zu ihr waren. Allen
voran die verhasste Alte aus der 14 alias Frau Seiler. „Die
klingelt andauernd, und wenn ich dann das Licht einfach ausmache,
damit die endlich Ruhe gibt, fängt die auch noch an zu schreien. Ich
zieh mich doch nicht 100 Mal die Nacht an und aus, bloß damit die
Irre ihre Zähne nach mir schmeißt. Irgendwann reicht es auch mal.
Sowas lasse ich mir nicht bieten!“
(Um meinen Berufsstand hier nicht
völlig in den Dreck zu ziehen, möchte ich an dieser Stelle
erwähnen, dass ich so ein Verhalten nie wieder im Klinikalltag
erlebt habe. Sicherlich kommt nicht jeder Patient gut dabei weg, wenn
im Dienstzimmer hinter geschlossenen Türen über ihn gesprochen wird
und es gibt Kollegen, die mal mehr und mal weniger auf ihre Sprache
achten. Aber jemandem wie Schwester Bauer bin ich seitdem nie wieder
begegnet.)
Der Tag beginnt also wie immer, bis
kurz vor Mittag. Menschenansammlung auf dem Flur. Stationsleitung,
Kolleginnen, Ärzte, die Kinder der „Irren aus der 14“
diskutieren lauthals. Ich habe natürlich viel zu viel zu tun, um zu
diesem Zeitpunkt bereits mitzubekommen, was da nun genau los ist.
Kurze Zeit später stampft Mr Wichtig Himself alias
Pflegedienstleitung dann über den Flur richtung Dienstzimmer.
Oh
Gott, jetzt wird es ernst. Also entweder wird jemand für 25
Dienstjahre ausgezeichnet oder irgendwas ist gewaltig schief
gelaufen.
Dem Gebrüll nach zu urteilen, dass ich selbst am andere
Ende der Station noch hören kann, tippe ich auf letzteres. Naja,
nicht mein Problem, denke ich, und erzählen worum es geht wird mir
hier sowieso niemand. Also einfach weiter arbeiten, ist ja nicht mehr
lang bis Feierabend.
Kurz vor Schluss dann, ihr ahnt es
vielleicht, Auftritt Stefan.
Ich müsse länger bleiben, weil wir
nach Dienstende noch reden müssten.
Ignorieren wir jetzt einfach mal
die Tatsache, dass ich nicht ausschließlich Schülerin sondern
„neben bei“ auch noch Mutter bin, mein Kind womöglich pünktlich
aus dem Kindergarten abgeholt werden müsste und es durchaus möglich
gewesen wäre, dass jemand anderes den Kaffee austeilt, damit diese
Gespräch innerhalb meiner Arbeitszeit hätte statt finden können
und kommen wir direkt zu Stefans Vortrag:
Da steht er, im Dienstzimmer, es ist
ihm offensichtlich unangenehm mit mir sprechen zu müssen, aber er
tut es trotzdem. Nämlich mir den Vortrag halten, den die
Sationsleitung ihm kurz zu vor diktiert hat:
„Du kannst so nicht mit Patienten
umgehen. Beleidigungen und Drohungen, das geht gar nicht. Wir haben
den Angehörigen von Frau Seiler erklärt, dass Du eine
Anfangsschülerin bist und wohl einfach überfordert warst. So etwas
darf natürlich nicht wieder vorkommen und wir werden auch die Schule
darüber informieren müssen. Vielleicht ist das ja doch nicht der
richtige Beruf für dich...“
Ich unterbreche Stefan mit den Worten
„Es würde mir viel leichter fallen, Dir zu folgen, wenn du mir
erst mal erklären würdest, für was genau ich denn jetzt den Kopf
hin halten soll.“
Stefan erklärt sofort. Frau Seiler ist
wüst beschimpft und bedroht worden. „Jetzt halt endlich die
Fresse, sonst lasse ich dich hier verrecken!“ hat JEMAND gesagt.
Die Angehören sind zurecht außer sich. Sie haben sich bei den
Ärzten beschwert, die wiederum die Pflegedienstleitung informiert
hätten usw.
Merkt Ihr was?
Stefan erklärt mir
gerade, was ICH gesagt haben soll. Weil er genau weiß, dass ich das
ganz sicher niemals gesagt habe. Schlimmer noch: Jeder weiß, wer das
tatsächlich gesagt haben wird. Schließlich hat der Bauer in der
Übergabe ja jedermann teilhaben lassen an ihrer „Auseinandersetzung“
mit Frau Seiler. Und genau das antworte ich Stefan dann auch. „Jeder
hier weiß, dass ich das nicht war. Genau wie jeder hier weiß, wer
es war. Was Du hier machst ist völlig bekloppt.“ Bis zu diesem
Zeitpunkt war ich erstaunlicherweise noch völlig ruhig. Aber dann
kam etwas, womit ich wirklich nicht gerechnet hatte. Stefan machte
einfach weiter.
Also mit dem Vortrag. Ich müsse das
jetzt mit der Schule klären. Die Stationsleitung und alle anderen
würden nun genauer hinsehen, wie ich mit Patienten umgehen und meine
Benotung kann natürlich jetzt auch nicht mehr gut ausfallen. Bla bla
bla...
Kennt ihr das, wenn man so dermaßen
wütend wird, dass man anfängt zu heulen und dann noch wütender
wird, weil man merkt, dass man zu heulen anfängt? So ging es mir in
diesem Moment. Ich bekam lediglich noch ein „Was bist Du bloß für
ein armseliges Arschloch raus!“ und bin gegangen. Hatte ja auch
schon längst Feierabend.
Jetzt muss ich mich erst mal erholen.
Selbst Jahre später steigt mein Blutdruck noch in ungeahnte Höhen,
während ich diese Zeilen schreibe. Das Endergebnis kennt Ihr ja
bereits. Trotz meiner Faulheit, Inkompetenz und den wüsten
Beschimpfungen meinerseits gegen mir anvertraute Patienten, bin ich letztendlich
dann doch Krankenschwester geworden. Warum ich geblieben bin und wer
sich alles außerdem noch ganz viel Mühe gegeben hat, das bis zum
Schluß zu verhindern, erfahrt Ihr dann im letzten Teil.
Eure @emergencymum
2 Kommentare:
Da kommt bei mir auch die Wut hoch und ich kann verstehen das die Wut nach der Zeit immer noch da ist.
Ich bin heute auf dein Blog verwiesen worden und lese mich grade von hinten durch deine Einträge.
So einen Start und so ein Team wünscht man niemanden. Bin gespannt, wie es dir weiter ergangen ist!
Kommentar veröffentlichen