Hallo Ihr Lieben,
nun ist es soweit. Drei Akte eines
Dramas waren versprochen, hier folgt nun Teil 3. Viele, ganz, ganz
viele sicherlich auch lesenswerte und teilweise schockierende
Anekdoten aus der Zeit meiner Ausbildung musste ich weglassen, um
mich mit dem folgendem Text dem Ende widmen zu können. Aber ich
wollte ja auch kein Buch schreiben. Und das wäre es sicher geworden.
Außerdem denke ich, dass meine Botschaft eigentlich schon nach dem
1. Akt ersichtlich war. Nämlich: So kann es ganz sicher nicht weiter
gehen! Nicht in der Krankenpflegeausbildung, nicht in der
professionellen Pflege selbst, in keinem Krankenhaus, keinem
Seniorenheim, keinem ambulanten Pflegedienst oder wo auch immer,
sollten jemals solche Zustände herrschen. Nicht für Schülerinnen
und Schüler, nicht für examiniertes Pflegepersonal,
Pflegehilfskräfte, Praktikanten und ganz sicher nicht für das am
häufigsten schwächste Glied der Kette, den Patienten.
Vergessen wir also die 152 Überstunden,
die ich während meiner Ausbildung gemacht habe, die kurz vorm Examen
im System einfach gelöscht wurden. Ignorieren wir den April indem
ich 28 von 30 Tagen arbeiten musste inklusive Ostern, weshalb ich
hinterher an meiner eigenen Toilettentür angeklopft habe, weil ich
nicht mehr wusste wo oben und unten ist. Sehen wir drüber hinweg,
dass ich absichtlich vor meinem praktischen Examen zum ersten Mal in
3 Jahren 6 Tage am Stück frei bekommen habe, damit ich auch ja keine
Chance habe, einen meiner Prüfungspatienten vorher kennenzulernen.
(Ihr merkt, ich könnte stundenlang so weiter machen.)
Nein, Schluss jetzt. Kommen wir nun
direkt zum krönenden Abschluss eines 3 jährigen Spießrutenlaufs.
Der Fisch stinkt immer vom Kopf
Nachdem die letzten zwei Teilen beide
von meinem ersten praktischen Einsatz handelten, nun ein ganz weiter
Sprung auf dem Zeitstrahl. Knapp 3 Jahre später. Ich habe meine drei
schriftlichen sowie meine praktische Prüfung (Trotz massiven
Bemühungen der Examensstation, das zu verhindern. Allein dazu könnte
ich seitenweise schreiben.) bereits bestanden.
Zeit für Bewerbungen also. Denn nun
folgen ja „nur noch“ 3 mündliche Prüfungen und sollten die
ebenfalls von Erfolg gekrönt sein, möchte man ja auch kurz um
richtiges Geld verdienen.
Haha, der war gut! Richtiges Geld. Also
ich meine damit mehr Geld als in der Ausbildung.
Egal, ich habe also
angefangen Bewerbungen zu schreiben und, werdet es kaum glauben, aber
unter anderem sogar in dem Haus, in dem ich gelernt hatte. Das
allerdings hatte seine Gründe. Es gab dort, wie soll es umschreiben,
zwei „Außenbezirke“. Und zwar die Psychiatrie und die
Notaufnahmen. Diese funktionierten völlig entkoppelt von dem sonst
nahezu immer gleichen Stationsbetrieb. Meinen Pflichteinsatz in der
Psychiatrie empfinde ich auch heute noch als Atempause. Die Patienten
hatten ganz anderen Pflegebedarf als Unterstützung bei der
Körperpflege, Hilfe beim Toilettengang oder zur Mobilisation. Sie
benötigten Gespräche, dass jemand da ist, dass jemand ihnen hilft
ihren Alltag zu organisieren, so etwas eben. Und am meisten
„entspannt“ haben mich die Kollegen. Dort gab es kein
Kompetenzgerangel, kein „Ich Examiniert, Du Dreck“ Gehabe, kein
Mobbing untereinander, nichts dergleichen. Klar hatte auch dort nicht
jeder jeden lieb. Aber die Pflegekräfte hatten gelernt professionell
damit umzugehen. Wer mit akuten Borderlinern arbeitet, kann
offensichtlich auch dem Kollegen sagen, dass er seine Kaffeetasse
doch bitte in die Spülmaschine räumen soll, ohne sich vorher mit 14
anderen verbünden zu müssen, um deswegen einen Krieg anzufangen.
Faszinierend oder? Fazit Psychiatrie war cool. Eine Zeit lang hätte
ich gern dort gearbeitet. Sicher nicht ewig aber um „runter zu
kommen“ nach der Ausbildung schon ok. Und nun der 2. Außenbezirk.
Die Notaufnahme. Der Einsatz dort war alles andere als entspannend
und die Kollegen im Schnitt auch eher so...Geht so. Paar gute eben,
paar Zicken, paar unauffällige. Dort war es eben die Arbeit, die
mich lockte. In der Notaufnahme gibt es nichts schön zu reden. Dort
wird gehandelt und zwar hoffentlich richtig. Da kann niemand im
Nachhinein die Verantwortung abschieben mit „Das hat bestimmt der
Spätdienst vergessen.“ oder „Das hat der Patient wohl falsch
verstanden.“ Dort benötigt man Fachwissen und Erfahrung. Je mehr
desto besser. Und je schneller Du bist desto besser. Außerdem
beschwert sich auch kein Patient, der einen Herzinfarkt hatte
darüber, dass er das Gefühl hatte abgefertigt zu werden, wenn ihm
durch schnelles Handeln das Leben gerettet wurde. Während genau
dieses „Abfertigen“ auf allen anderen Stationen eines der größten
Probleme darstellt. Und irgendwie war der Wunsch, in einer
Notaufnahme zu arbeiten, wohl auch die ersten Anzeichen der Flucht
aus der Pflege. Denn was auch immer dort behandelt wird, mit Pflege
hat das alles wenig zu tun.
Lange Rede kurzer Sinn. Ich kam nicht
umher meine Bewerbungsunterlagen an Mr Wichtig Himself also den
Pflegedirektor abzuschicken, weshalb ich mir ohnehin keine Hoffnungen
machte, dass diese jemals in der Psychiatrie oder Notaufnahme
ankommen werden. Denn selbst, wenn er vergessen haben sollte, wer ich
war, hatte ich die Unverschämtheit besessen bereits in den
Unterlagen klar zu formulieren, dass ich mich exakt für die beiden
Stationen bewerbe. Solch Aufmüpfigkeit wird in einem Haus voller
willenloser Untertanen überhaupt nicht gern gesehen. Um so
überraschter war ich, als ich von der Schule über meinen Termin zu
Vorstellungsgespräch informiert wurde. Zwei Tage vor der ersten
mündlichen Prüfung. Na sowas, jetzt hatte ich bereits meinen Spind
geräumt, die Klamotten zurückgeben, Namensschild und
Mitarbeiterausweis an meinem letzten Arbeitstag an der Information
zurückgelassen und den riesengroßen, fiesen Klotz mit einem
gedanklichem
„Fickt Euch alle!“
verabschiedet, als ich zum
vermeintlich letzten Mal durch die Drehtür marschierte und dann das.
Vorstellungsgespräch? Ernsthaft? Dann bekam ich mit, dass alle aus
unserem Kurs, die sich dort beworben hatten, in diesen Tagen zum
Gespräch eingeladen wurden. Ach so, ist also so ein „Wir tun mal
so, als gäben wir hier jedem die gleiche Chance Ding.“ Könnte
wohl schlechte Presse geben, wenn die eigenen „top-ausgebildeten“
Azubis, wenn sie denn bestanden haben, nicht auch in den heiligen
Hallen empfangen werden. Das dachte ich zumindest. Aber ersten kommt
es anders und zweitens....
Vorstellungsgespräch:
PD: „Guten Tag Frau *blättert in
seinen Unterlagen* Schulze. Setzen Sie sich! Also Ihre Noten
bislang... Zwischenzeugnis gut. (Das war nicht gut sondern
hervorragend.) Die Ergebnisse der schriftlichen Prüfungen sind
zufriedenstellend. (Die waren gut.) Aber im praktischen, ja, da ist
ja wohl das Problem.“
(Das „Problem“ heißt
„befriedigend“ und liegt daran, dass das die einzige Prüfung
war, auf die Ihr beschissen intrigantes Personal einen Einfluss
hatte. Ich hatte keine Vorbereitung, kannte am Tag der Prüfung die
Patienten nicht und dann wurden plötzlich alle Untersuchungen
nochmal spontan umgeplant, damit ich auch ja noch Zeitdruck bekomme.
Außerdem wurde einem Patienten ein falsches Medikament auf den Tisch
gestellt, welches er natürlich auch noch sofort zu sich nahm, was
für noch mehr Aufregung sorgte. Danke dafür! Und dennoch habe ich
diese Prüfung mit „befriedigend“ bestanden. Das ist mehr wert
als jede glatte 1 mit Vorlauf und ohne Spielchen. So!)
PD: „Sie wollen in der Psychiatrie
arbeiten. Also da habe ich mit Herrn Schelzing drüber gesprochen,
der kann sich das überhaupt nicht vorstellen. Offensichtlich haben
sie bei ihm keinen so guten Eindruck hinterlassen.“
„Wer ist Herr Schelzing?“
PD: „Die Stationsleitung der
geschlossenen Psychiatrie. Sie haben doch dort gearbeitet oder
nicht?“
„Ja, 5 Nächte. Den Rest meines
Einsatzes in der Psychiatrie arbeitete ich jedoch auf der Station...“
PD: „Sehen Sie, dann kennen sie Herrn
Schelzing ja.“
„Nein, denn Stationsleitungen
arbeiten ja nicht nachts.“
PD: „Um es kurz zu machen, ich habe
mit allen Mitarbeitern gesprochen und niemand hier im Haus möchte
mit Ihnen zusammen arbeiten!“
(Aha, über 3000 Angestellte, davon
ca. 900 in der Pflege. Und er hat mit allen gesprochen, und leider
fanden mich alle doof. Und weil er sich schon so eine Mühe gemacht
hat, nur wegen meiner Bewerbung und so, musste er mir das Ergebnis
jetzt natürlich auch persönlich mitteilen. Logisch oder?)
„Ähm und Sie laden mich zu diesem
Vorstellungsgespräch ein, nur um mir das mitzuteilen?“
PD: „Ja!“
„Dann hoffe ich für Sie, dass es
Ihnen jetzt besser geht, womit das Gespräch für mich dann aber auch
beendet wäre.“
PD: „Wann hier welches Gespräch zu
Ende ist, entscheide immer noch ich!“
„Sie können ihr Gespräch gern
allein fortsetzen, ich gehe jetzt! Auf wiedersehen!“
Wie sich im Nachhinein herausstellte,
war ich nicht einmal die einzige. Der (Achtung!) Kursbeste durfte
sich ähnliche Unverschämtheiten anhören. Auch er ein Verfechter
der Theorie „Ich bin hier um eine AusBILDUNG zu machen keine
AusBEUTUNG.“ Böser Fehler offensichtlich.
Gut, die Nörgelei an den Noten
funktionierte bei Ihm noch weniger als bei mir aber dann halt in dem
Stil „Sie wirken immer so unmotiviert.“ Soziale Inkompetenz,
keiner mag sie und solch harte Fakten eben.
Ok, diesmal ging es hier nicht um
schockierende Berichte aus dem Krankenhausalltag. Nicht um
gefährliche Pflege, Hygienefehler oder vernachlässigte Patienten.
Und vielleicht wird dieser letzter Akt somit von einigen als eher
unspektakulär empfunden. Nun muss man sich allerdings den Vorgang
mal genauer betrachten. Da sitzt jemand, den ich bis dato genau 2 Mal
gesehen hab, nämlich bei der Begrüßungsveranstaltung zu Beginn
meiner Ausbildung und als er wutentbrannt über den Krankenhausflur
der Onkologie an mir vorbei stapfte. Jemand, der verantwortlich
zeichnet für über 900 Mitarbeiter. Das bitte nochmal auf der Zunge
zergehen lassen: Über 900 Mitarbeiter! Und dieser Herr macht sich
Mühe, einen Termin mit einer Schülerin zu vereinbaren, um sie
a) dreist zu belügen und
b) ihr 2 Tage vor den letzten Prüfungen
zu sagen, wie scheiße sie doch ist.
Er will mich dort nicht haben.
Bitteschön, das ist sein gutes Recht. Aber was sollte diese Show?
Meine Chefin in der Psychiatrie hatte explizit darum gebeten, dass
ich mich doch bewerben möge. Psychiatrie sei nicht wirklich beliebt
bei den Anfängern, ihr fehle ständig vor allem junges Personal und
ich würde sicher wunderbar ins Team passen. Mit dem Chef der
Notaufnahme war ich per Du. Auch er hatte mir gute Chancen in
Aussicht gestellt, sobald er meine Bewerbungsunterlagen auf dem Tisch
liegen hat. Offensichtlich sind diese dort (wie ja bereits
befürchtet) nie angekommen. Auch das wäre alles kein Problem
gewesen. Wenn Mr Wichtig Himself den Störfaktor „Julia“ nicht
haben will, dann muss er eben nicht. Dieser Auftritt allerdings
machte mir einiges klar. Nein, ich hatte keinen Verfolgungswahn, wenn
ich der Meinung war, dass es nahezu auf jeder Station Vorbehalte
gegen mich gab. Nein, ich habe mir den Boykott meiner praktischen
Prüfung nicht eingeredet. Das waren keine dummen Zufälle. Und nein,
nicht ich bin die „Komische“, die offensichtlich überall aneckt,
sondern die andere Seite ist krank. Sehr krank! Ich hatte meine
Verleumdung nicht schweigend hingenommen (der Schule gegenüber
zumindest nicht) und damit hatte ich mich gegen ein System
aufgelehnt, das keinen Widerspruch duldet. Erst recht nicht von ganz,
ganz, ganz unten in der Hierarchiekette. Eine Anfangsschülerin, die
sich wehrt? Und die auch noch bleibt um ihr Examen zu machen? Das
konnte man unmöglich „straffrei“ durchgehen lassen, hinterher
könnte ein Stefan zum Beispiel auch noch auf die Idee kommen, seinen
unbefristeten Vertrag dazu zu missbrauchen, um am System zu rütteln.
Gott bewahre!
Dummerweise hatte dieses Gespräch das
Gegenteil dessen bewirkt wozu es gedacht war, nämlich mich zu
verunsichern. Vielleicht verreißt es die Julia ja doch noch in einer
der letzten Prüfungen, wenn wir sie vorher nochmal so richtig fertig
machen. Und in der Tat hätte ich dann ein Problem gehabt. Dieses
Haus nochmal betreten? Ganz sicher nicht! Meine Unsicherheit aber war
wie weggeblasen. Alles war plötzlich sehr eindeutig. Und ich sehr
stolz auf mich, dass ich mich bis zuletzt dagegen gewehrt habe. Ich
mag mein Rückgrat eben und möchte es gern behalten. Ich werde die
letzten Prüfungen bestehen, weil ich gut bin. Nicht beliebt sondern
fachlich gut. Die beliebten können Waschlappen falten und Bettdecken
gerade ziehen, ich kann pflegen. Und so kam es dann auch. Meine
mündlichen Prüfungen verliefen problemlos und keine Woche nach dem
mir der Pflegedirektor klar machen wollte, dass ich ohnehin zu nichts tauge,
unterschrieb ich bereits meinen Arbeitsvertrag in einer anderen
Notaufnahme.
Für den größten Lacher kurz vor der
Examensparty sorgte dann noch folgende Entscheidung unseres
offensichtlich maßlos kompetenten obersten Oberchefs. Obwohl er zu
Beginn der Ausbildung lauthals verkündet hatte, den besten dreien
des Kurses in jedem Fall einen Arbeitsvertrag anzubieten, entschloss
er sich kurzerhand dann doch für ein anderes Trio. Nämlich für 2
stille Damen aus dem leistungsmäßigen Mittelfeld und, jetzt bitte
nicht lachen, die schlechteste. Zum Dank für diesen Vertrauensbonus
namens Arbeitsvertrag, versemmelte diese dann auch (wie erwartet)
ihre Prüfungen und der geschätzte Pflegedirektor stand mit einer
Stelle zu wenig da.
Tja, dumm gelaufen.
Mein Fazit nun und das richtet sich an
alle: Von Schülern und examinierten Kollegen über Führungskräfte
und Praktikanten bis hin zu Patienten und Angehörigen: Lasst Euch
das nicht bieten! Wenn ihr Missstände beobachtet, sprecht sie
an! Macht es anders! Lasst Euch nicht unter kriegen, weil vermeidlich
„alle“ gegen Euch sind. Nur weil viele in eine Richtung rennen
heißt das noch lange nicht, dass es der richtige Weg ist. Wenn wir
nicht endlich anfangen uns aufzulehnen gegen solche Systeme, wer
dann?
So, die @emergencymum hat fertig.
Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!
:)
1 Kommentar:
Schöner Beitrag! :) - Und willkommen im Klub! Größtes Mitgefühl: Ein "Befriedigend" habe ich auch nur in der Praxis. Ich glaube bei mir lag es daran, dass ich keine großen Brüste habe und männlich bin. - Der Prüfer war es nämlich auch und meine Prüferin eine Dame mit der ich einfach nicht harmonierte. Den Patienten habe ich aber perfekt gepflegt, es lief alles glatt, keine Kritik, "machen Sie sich einen schönen Tag!" und Wochen später dann die Note und auf Anfrage "wieso?!" habe ich bis heute keine Antwort. - Ist ja auch schwer, wenn man Aufzeichnungen suchen muss und Schichtdienst hat. Einfach eine riesen Frechheit und echt unfair, wenn man über drei Jahre nur 1er und 2er Praxisbeurteilungen gesammelt und mit der Klassenlehrerin zusammen gearbeitet hat und alles gut lief... Das System der Ausbildung ist einfach "suboptimal". Leider.
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