Samstag, 24. Januar 2015

Wehe du hast Rechte

Was einem passieren kann wenn man Rechte einfordert

Wir sind ein Betrieb in der Pflege. Wir kümmern uns um schwerkranke Menschen, die ohne 24h Überwachung keine Möglichkeit zum Weiterleben haben.
Natürlich sind wir uns bewusst, dass diese Menschen immer auf uns angewiesen sind und wir deshalb freundlich und professionell sind. Wir haben ein Pflegeleitbild wie aus dem Buch.
Wir werben mit eine ausgeglichenen Work-Life-Balance um neue Mitarbeiter. Bla bla bla...

Aber jetzt mal im Ernst,

Dieses ganze Papier, auf dem das steht, kann man getrost anzünden. Es ist nicht das Papier wert auf dem es gedruckt wurde. Es ist ganz einfach eine Lüge.
Eine gesellschaftlich akzeptierte Lüge.
Warum ich das sage? Weil es jeder, der es sehen will, auch sehen kann.
Aber man liest ja lieber Pflegeleitbilder und Internetseiten und vertraut MDK Bewertungen,
in denen kaum eine Einrichtung unter der Note Eins abschneidet.
Und wir tun das obwohl jeder weiß, dass wenn doch alle eine Eins haben entweder das Niveau lächerlich ist oder einfach beschissen wurde.
Ähnlich ist es beim Thema "Work Life Balance". Alle Betriebe im Gesundheitswesen sind natürlich stets um das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter besorgt. Woher kommen dann aber die ganzen überlasteten und kranken Kollegen? Sind die alle unterdurchnittlich belastbar oder haben die einen Burn Out weil die viele Freizeit sie so überfordert? Wohl kaum.
Wann kommt denn mal die Gewerbeaufsicht und überprüft Verstöße gegen das ArbZG.
Die Antwort lautet: NIE! Warum denn auch? Es beschwert sich ja niemand, denn in der Pflege so heißt es, ist alles anders.
Und über die papiergewordene Selbstbeweihräucherung per Pflegeleitbild will ich gar nicht erst reden, da ich sonst mein Frühstück von der Tastatur kratzen muss.

Zum eigentlichen Thema

Ich habe mir schon länger, besonders bestärkt aber durch die Beiträge im Blog Pflegenot,
überlegt, mir das nicht mehr bieten zu lassen.
Um zu verstehen was hier geboten wird, muss man erst einmal wissen, dass wir in der ausserklinischen Beatmungspflege 12h Dienste haben.
Das ist wichtig um zu verstehen, was es heißt fünf Nachtdienste am Stück zu arbeiten.
Das ist nämlich das Maximum dessen, was der Gesetzgeber zulässt. Aber da in der Pflege ja alles anders ist, ist bei uns noch lange nicht Schluß.
zum Beispiel die 136h in 14 Tagen, wie ich sie grade hinter mir habe.

Eigene Schuld denkt ihr?
Ja sicher, muss ja keiner machen so ne kranke Scheiße. Das ist ja auch nicht gut für die Patienten, wenn da einer hockt, der offensichtlich kein zu Hause mehr hat. Richtig! Das ist für niemanden gut. Aber ich erkläre euch jetzt mal, was passiert wenn ihr tatsächlich aufsteht und sagt: NEIN.
Kurzfassung: Ihr geht kurz drauf zum Arbeitsamt!
Exakt so ist es mir wiederfahren. Die Vorgeschichte zu diesem Finale ist hier zu lesen.
Ich habe alles was dort steht noch mal bei meiner PDL thematisiert und deutlich gemacht, dass ich nicht bereit bin so etwas weiter mit zu tragen.
Ich habe gesagt, dass ich nicht ausschließlich Krankenpfleger sondern vor allem Familienvater bin und Zeit mit meinen Kindern verbringen will.
Dass es Grenzen der Belastbarkeit gibt. Dass das alles auch nicht im Sinne der Patienten ist. 120h am Stück und dann 3 Tage frei, keine Geschichte, die unter exzellente Work-Life-Balance fällt.
Ende vom Lied war ein Dienstplan in dem ich vier freie Tage hatte in 3 Wochen. Nochmal zur Erinnerung: Trotz 12h Schichten!
Untragbar....
Aber es kam noch besser.
Ich wurde zu einem weiteren Dienst verpflichtet und da waren es nur noch 3. Bei der Gelegenheit wurde mir ein Termin für ein Mitarbeitergespräch genannt, an dem ich zu erscheinen habe.
Ein Gespräch mit der Geschäftsführung, also sehr wichtig.
Was dann geschah war wie in einem schlechten Film.
Ein Kollege rief an und sagte er solle bei uns einspringen, einen Tag nach diesem Gespräch.
Dabei war der Dienst gedeckt.
Ich wurde hellhörig.
Er sollte MEINEN Dienst übernehmen!

Dann kam der Tag des Gesprächs.


Wohl eher des Standgerichtes, im Nachhinein betrachtet.
Ich komme zum Termin, man lässt mich, wie es sich für einen niederen Mitarbeiter gehört, eine halbe Stunde warten.
Ich werde ins Büro gebeten, 3 Leute sitzen mir gegenüber. Meine PDL, der Geschäftsführer und eine mit Block und Stift bewaffnete Bürokraft.
Man sagt mir ins Gesicht ICH wäre untragbar für das Unternehmen.
Der Geschäftsführer persönlich meint, ihm würde "meine Art nicht gefallen" und es folgen allerlei belanglose Plattheiten, die offensichtlich nur dazu dienen sollen, mich zu provozieren. Während dessen nutzte ich die Gelegenheit und las die Zettel, die er auf dem Tisch liegen hatte. Kündigungsschreiben in zwei verschiedenen Ausfertigungen mit meinem Namen darauf.
Es folgten weitere Anschuldigungen, die immer noch nicht meine Arbeit betrafen, sondern einfach nur persönlich beleidigend waren.
Dann der Hauptvorwurf: Ich würde durch meine ständigen Forderungen Unruhe in den Betrieb bringen, das wäre nicht hinnehmbar.

Ich blieb ruhig, gezwungen ruhig...

...denn auf dem Tisch lag auch eine fristlose Kündigung mit meinem Namen, die Begründung konnte ich nicht lesen, ahnte aber, dass es wohl was mit der sehr provozierenden Gesprächsführung seitens PDL und Geschäftsführung zu tun haben könnte.
Denn Gründe, die außerhalb meiner unverschämten Forderung nach Einhaltung von Arbeitsverträgen und gesetzlichen Vorschriften lag, kamen bis zuletzt nicht. Dafür aber der schockierende Vorwurf, ich hätte es einmal versäumt meine PDL zu begrüßen.
Ja, dafür kann man auch schon mal jemanden kündigen.
Es war also Fresse halten angezeigt.
Gegen Ende des Gesprächs wollte mir die Geschäftsführung dann noch einen gut gemeinten Rat mit auf den Weg gebe. "Nehmen Sie`s besser sportlich. Ich verfüge dann doch über weitaus mehr Kleingeld für Anwälte als Sie." Ist doch nett oder?
 
Ein paar Einwürfe meinerseits über gestrichene Überstunden und nicht Einhaltung des Arbeitsvertrages bezüglich der maximalen Wochen Arbeitszeit interessieren keinen, Übergabe der Kündigung und Ende der Vorstellung.

Weiter gehts...

An diesem Tag war außerdem noch Teamsitzung. Meine PDL hatte vorsorglich bereits der Teamleitung gesagt, ich wäre wahrscheinlich krank.
Netter Versuch!
Natürlich bin ich hin gegangen und ich werde auch weiterhin zum Dienst gehen.



Ich habe nämlich noch ein Ass im Ärmel. Ich wurde gewarnt, lange bevor das alles passiert ist.
Ich mache das schon viel zu lange mit um zu glauben, es gäbe noch Gute in diesem Spiel.
Da gilt die alte Binse: "Scheiße schwimmt oben!"
Natürlich nicht immer, aber im Schnitt passt es.

An dieser Geschichte seht ihr aber: In unserem Gesundheitssystem geht es um Geld, nicht um Menschen, weder die im Bett noch um die davor!
Es geht um Umsatz, Zahlen und return of investment.
Da hat Pflege keine tragende Rolle.

Die, die das Geld letzten Endes am Bett einspielen, sind die Dummen, zumindest wenn sie nicht gemeinsame Sache machen. Die meisten lassen sich aber durch kleinste Privilegien und Vorteile gegeneinander ausspielen, sie bespitzeln sich teilweise gegenseitig nur um in der Hierarchie ein kleines Stückchen aufzusteigen. Sie lassen sich hetzen und verlieren dabei sich und ihr Umfeld aus dem Blick.

Es bleibt aber zu fragen wie kann so etwas passieren?

Es ist eigentlich ganz einfach. Obwohl in den Arbeitsvertägen geregelt ist, dass maximal 48h in der Woche gearbeitet werden, oder in Ausnahmefällen 60, wenn in der Folgewoche ausgeglichen wird damit nicht mehr als 96h in 2 Wochen möglich sind, obwohl jedem bewusst ist, dass Dienstpläne nie ohne Rücksprache geändert werden können und dass Dienstverpflichtungen nicht ganz einfach sind, machen alle mit. Alle haben ihre Gründe. Bei dem einen ist es Angst um den Arbeitsplatz, andere hoffen dadurch irgendwann in eine Position zu kommen, nicht mehr am Bett stehen zu müssen, wieder anderen reichen schon kleinste Privilegien als Motivation.
Das führt dazu, dass die Pflege völlig entsolidarisiert ist. Wenn es einen erwischt, in diesem Falle mich, dann hält man zwei Sekunden inne, aber dann ist auch gut. Es muss ja weiter gehen.
Ich weiß, dass es wie bei anderen Kollegen irgendwann heißt. "Der war ja doch irgendwie komisch." oder "Der hat alles wohl nicht ernst genug genommen." "Der hätte doch wissen müssen, dass man gegen die da oben keine Chance hat." Solche Dinge halt.
Es wird verdrängt worum es ging. Niemand gesteht sich ein, dass ich nur laut ausprach, was alle hinter vorgehaltener Hand gesagt haben: "Wir sind Pfleger und nicht die Leibeigenen des Betriebs"
Jeder weiß, dass wir zusammen das Boot hätten wenden könnten!
Aber die Pflege ist am Boden, ein handlungsunfähiger Haufen von Menschen der sich aufgegeben hat.

Ja Leute, das ist mein Bild von euch. Es gibt zwar Ausnahmen, die reichen aber offensichtlich nicht für eine substanzielle Veränderung.

Ich für meinen Teil mache da nicht mehr mit.
Ich wehre mich!
Auch alleine!
Denn ich kann mir noch eine Existenz vorstellen, in der ich als Mensch zähle, nicht nur als Pfleger. Ich bin nicht mein Beruf.


Gruß

Euer

Garcon de Piss







4 Kommentare:

Katecholamin hat gesagt…

Na das klingt ja mal wieder nach dem negativen Paradebeispiel.

Ich habe meine Ausbildung vor nicht langer Zeit beendet und währenddessen schon gelernt, dass dieser Berufsstand irgendwo an der Pforte sein Rückgrat abgibt.

Im Vergleich scheine ich ja quasi die "Luxus-Variante" des Berufs zu haben. Öffentlicher Dienst, wenig bis keine Überstunden, überwiegend Mo-Fr 7-15 Uhr arbeiten.

Wäre es nicht angezeigt mal bei entsprechenden Stellen Beschwerden/Anzeigen zu erstatten? So wie das klingt, verwirkt der Betrieb seine Zulassung und verstößt gegen diverse Gesetze.

Anonym hat gesagt…

Ich bin schockiert, über das, was du da schilderst. Gibt es die Möglichkeit, die Medien einzuschalten? Das baut enormen Druck auf wenn es mehrere tun und du könntest der Anfang sein.

Anonym hat gesagt…

Ich arbeite auch in der 24 Stunden Pflege und wurde herausgemobbt, weil ich mich für gute Pflege eingesetzt habe.
Habe nach meiner Nachtschicht am 1.1.2015 um 6.30 Uhr morgens gekündigt, nachdem man mir am Abend zuvor einen
neuen Arbeitsvertrag mit einer Lohnkürzung vorlegte.
So geht es zu in der Pflege - Menschen und Menschlichkeit ist nicht mehr gefragt !!!

Sabine Bätz hat gesagt…

Hallo G.d.P. (nehme an ein anonymer Name),

deine Artikel habe ich mit Interesse gelesen.
Melde Dich doch einfach einmal über usj30@t-online.de - mein Kollege und ich haben in Bayern für den Nachtdienst
(zusammen mit z. B. Frau von Stösser, Pflege-shv, interessierten Reportern, Claus Fussek etc) sehr viel erreicht und dafür
einiges in Kauf genommen. Aber wie Du sagst - jammern alleine nützt nichts, man muss zu seinen Überzeugungen auch stehen.
Vergangenen Samstag erschien in der Neuen Presse - Kronach ein ganzseitiger Report über das Drama der Personalkürzung beim
Nachtdienst im BRK-Seniorenhaus in Kronach - schicke ihn Dir gerne zu, musst Dich eben nur bei mir melden.
In Bayern sind die Pflegeheime gezwungen ab Juni den - von Gesundheitsministerin Huml festgelegten - Personalschlüssel für die
Nacht einzuhalten. Die Trägervereine laufen STURM dagegen - was aber immer mehr Lügen an den Tag bringt.

Liebe Grüße
Sabine Bätz

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